Schulden
31.10.2022 / sni
Zusammenfassung
In diesem Stichwort werden die wichtigsten Begriffe geklärt, Schuldenarten aufgeführt und auf die Haftbarkeit von Ehegatten sowie von Erben eingegangen. Danach werden Betreibungsverfahren und mögliche Rechtsmittel dargestellt. Dabei werden Fristen, Verjährung und Kosten erwähnt sowie die Möglichkeit von unentgeltlicher Prozessführung beschrieben. Es werden die verschiedenen Budgets erklärt und (un)pfändbare Einkommen und Vermögen aufgeführt. Weiter wird auf Schuldensanierung und Privatkonkurs und den Umgang mit Inkassobüros eingegangen. Zum Schluss wird auf wichtige Beratungsstellen hingewiesen.
In Bezug auf Schuldenberatung ist mit der Berner Schuldenberatung zusammenzuarbeiten resp. nach Absprache mit derselben eine Vermittlung der Klientel zur Berner Schuldenberatung vorzunehmen. Für die französischsprachige Schuldenberatung und -sanierung ist das Centre Social Protestant (CSP) Berne-Jura zuständig (s. Links: Social&Dettes) und Explorer: X:\100 Sozialberatung\30 Netzwerke - Fachkommisionen\Team BBS\Institutionen\CSP Bienne. Die Sozialberatung der Pro Senectute Kanton Bern macht keine Schuldensanierungen und begleitet keine Konkurse.
1. Allgemeine Informationen
In diesem Kapitel werden Definitionen von ausgewählten Begriffen im Zusammenhang mit Schulden aufgeführt sowie das Zusammenspiel von Schulden mit Ehe, Scheidung, Tod einer/eines Ehegattin/Ehegatten und Erbschaft kurz erläutert. Weitere Begriffsbeschreibungen und -erklärungen siehe Schulden ABC der Berner Schuldenberatung (s. Quellen).
1.1.1 Schulden, Verschuldung, Überschuldung
Als Schulden gelten offene finanzielle Verbindlichkeiten einer Schuldnerin/eines Schuldners gegenüber ihrem/seinem Gläubiger. Darunter fallen Kredite, aber auch jede noch nicht bezahlte Rechnung nach Ablauf ihres Fälligkeitsdatums. Verschuldung bedeutet, dass jemand Schulden hat. Das ist unproblematisch, solange die/der Schuldner/in diese bezahlen kann. Die Verschuldung wird zu einer Überschuldung, wenn Einkommen und Vermögen einer Schuldnerin/eines Schuldners nicht mehr ausreichen, um alle Verbindlichkeiten zu begleichen (s. Quellen: Schulden: das Wichtigste in Kürze).
1.1.2 Primär- und Sekundärschulden
Bei einer Schuldentilgung werden die Primärschulden (auch dringende Schulden genannt) zuerst beglichen (s. Quellen: Prioritätensetzung).
Als Primärschulden gelten grundsätzlich alle Verbindlichkeiten, die in einer engen Verbindung zur Existenz der Schuldnerin/des Schuldners und dessen Angehörigen stehen, wie Mietzinse, Stromkosten, Krankenkassen, Alimente oder Schulden aus Gesetzesverstössen. Sie dienen dazu den Lebensunterhalt zu sichern. Mietzinsausstände können zu Verlust der Wohnung und zu Obdachlosigkeit führen, unbezahlte Stromrechnungen zum Abstellen der Stromzufuhr und folglich von Heizung und warmem Wasser, nicht bezahlte Bussen oder Geldstrafen können zu einer Freiheitsstrafe führen (s. Quellen: Primärschulden.). Alimentenschulden der letzten 6 Monate können eine Strafanzeige wegen Vernachlässigung von Unterhaltspflichten nach Art. 217 StGB zur Folge haben und gelten deshalb als sehr dringende Schulden (Auskunft Rebecca Edelmann, ehem. Sozialarbeiterin Berner Schuldenberatung, 02.08.2023). Wenn Alimente nicht bezahlt werden, kann auf Klage hin über das Gericht angeordnet werden, dass diese direkt an den/die Alimentengläubiger/in bezahlt werden (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Alimente). Als Sekundärschulden (auch weitere Schulden genannt) gelten folglich alle weiteren Verbindlichkeiten, wie Käufe auf Raten, Kreditkartenrückstände oder Leasing. Beispielsweise kann ein Leasingvertrag aufgehoben werden, ohne dass dies zu einer Beeinträchtigung der Grundbedürfnisse führt (s. Quellen: Primärschulden).
1.1.3 Betreibungsamt, Betreibungsregisterauszug und Schuldnerinformation
Im Kanton Bern gibt es fünf regionale Betreibungs- und Konkursämter mit deren Dienststellen an insgesamt 8 Standorten (s. Links: Betreibungs- und Konkursämter). Die Zuständigkeit eines Betreibungskreises wird nach dem Wohnsitz der zu betreibenden Person bestimmt. Ist eine Person in den letzten fünf Jahren umgezogen und hatte in verschiedenen Betreibungskreisen Wohnsitz, müssen die Betreibungsregisterauszüge sämtlicher Betreibungskreise der letzten 20 Jahre (Verjährungsfrist von Verlustscheinen) vorliegen, um eine Übersicht über die Schuldensituation zu erlangen.
Im Betreibungsregisterauszug sind die Betreibungsverfahren verzeichnet, die in den vergangenen fünf Jahren gegen eine Person eröffnet wurden. Es werden laufende, nicht weiterverfolgte, durchgeführte Betreibungen, Betreibungen mit Verlustscheinen sowie auf Gesuch hin hängige oder abgeschlossene Konkurse im Auszug aufgeführt. Es werden nur Verlustscheine aufgeführt, die nicht älter als 20 Jahre und, die nicht gelöscht worden sind, aufgeführt. Betreibungen, die von Gläubigern zurückgezogen worden sind, werden nicht aufgeführt (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Betreibungsregister). Zudem sind Angaben zu Betreibungsnummer, Gläubiger/in und deren Vertreter/in, Forderung und Status der aufgeführten Betreibungsverfahren enthalten (s. Quellen: Worüber gibt der Betreibungsregisterauszug Auskunft?). Es sind jedoch, wie oben erwähnt, jeweils nur die Betreibungsverfahren verzeichnet, die in dem entsprechenden Betreibungskreis gegen jemanden laufen. Die Bestellung eines Betreibungsregisterauszugs ist, im Gegensatz zur Schuldnerinformation und dem Verlustscheinregister, kostenpflichtig. Weitere Informationen zu Bestellung und Kosten eines Auszugs sowie Löschung von Einträgen s. Quellen: Betreibungsregisterauszug.
Die Schuldnerinformation gibt eine detailliertere Übersicht über die Schulden einer Person. Sie ist kostenlos. Gemäss Schreiben vom Betreibungsamt Bern-Mittelland dient sie im Kanton Bern nur noch als internes Dokument und wird nicht mehr ausgestellt (s. Quellen: Schuldnerinformation). Dies wird gemäss Information der Berner Schuldenberatung nicht an allen Betreibungsämtern gleich gehandhabt (mündliche Info von Rebecca Edelmann, ehem. SAR Berner Schuldenberatung, 15.08.2023). Klienten resp. Schuldner/innen sollen, wenn das Betreibungsamt die Schuldnerinformation nicht herausgeben will, diese mit Nachdruck selbst bestellen mit der Argumentation, dass dieser Informationen über sie selbst enthält. Bei Schwierigkeiten können die Klienten an die Berner Schuldenberatung triagiert werden.
Im Verlustscheinregister sind alle offenen (also nicht verjährten oder getilgten) Verlustscheine eingetragen. Laufende Betreibungsverfahren oder Pfändungen sind jedoch nicht darauf ersichtlich. Das Verlustscheinregister ist einfacher lesbar, als die Schuldnerinforation. Das Verlustscheinregister kann sowohl von den Schuldner/innen als auch von der Pro Senectute kostenlos beim Betreibungsamt bestellt werden. Auch Wohnungsvermieter/innen oder Arbeitgeber/innen, die eine Betreibungsauskunft verlangen, erhalten Kenntnis von den im Verlustscheinregister eingetragenen Verlustscheinen (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Verlustschein).
Auch ungerechtfertigte Betreibungen sind im Betreibungsregister aufgeführt. Sie können seit dem 01.01.2019 gelöscht werden, wenn ein Rechtsvorschlag dagegen erhoben worden ist (s. Quellen: 40 Franken für ein sauberes Betreibungsregister). Nach Ablauf von 3 Monaten kann für Fr. 40.- die Löschung des Eintrags auf dem Betreibungsregisterauszug beantragt werden.
1.1.4 Kreditfähigkeitsprüfung
Die Kreditfähigkeitsprüfung ist im Bundesgesetz über den Konsumkredit (KKG) geregelt und hat den Schutz des Konsumenten bei der Vergabe eines Kredits durch ein Kreditinstitut zum Ziel. Der Kreditgeber wird verpflichtet zu prüfen, ob der Konsumkredit im Budget der/des Konsumenten/in Platz hat. Macht er dabei Fehler, verliert er den Anspruch auf Zinsen und Kosten, in schweren Fällen verliert er gar jeglichen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehensbetrags (s. Quellen: Schulden ABC).
1.2.1 Spezifische Sekundärschulden
Die meisten Sekundärschulden entstehen aus Konsumkrediten, Barkrediten, Leasing, Abzahlungsvereinbarungen, Kredit- und Kundenkarten, Kontoüberzügen, Steuerausständen und Privatdarlehen. Im Folgenden wird aufgeführt, worauf in der Beratung bei diesen Schuldenarten geachtet werden kann (Informationen aus dem Kurs Schulden – was tun? bei Pro Senectute Schweiz, geleitet von Caritas Zürich). Ziel ist das Verstehen der einzelnen Schuldenarten zur Zusammenarbeit mit der Schuldenberatung oder im besten Fall die Triage an die Schuldenberatung (s. Kap. 10).
Konsumkredit: Seit 01.07.2016 beträgt der Zins für Konsumkredite max. 10%. Bei Konsumkrediten ist die Kreditfähigkeitsprüfung (Definition s. Kap. 1.1.4) der Banken zu überprüfen. Fehler in der Prüfung der Kreditfähigkeit durch das Institut, das den Kredit vergibt, verschaffen Verhandlungsspielraum. Unterlagen dazu können mittels Musterbrief der Berner Schuldenberatung (s. Formulare: Auskunftsgesuch nach Datenschutzgesetz) bei der zuständigen Bank verlangt werden. Ein Konsumkredit muss in max. 36 monatlichen Raten mit der freien Quote im Budget nach SchKG bezahlbar sein.
Leasing: Ein Leasing ist immer teurer als ein Barkauf. Durch Leasing wird kein Eigentum am Leasinggut erworben. Somit ist es nicht möglich, bei Nichtnutzung oder Liquiditätsproblemen das Leasinggut zu verkaufen. Eine frühzeitige Aufhebung eines Leasingvertrags aufgrund Liquiditätsproblemen ist nicht immer möglich resp. an gewisse Kriterien geknüpft. Diese sind zu prüfen. Zudem macht es auch hier Sinn, die Kreditfähigkeitsprüfung durch die Leasinggesellschaft zu überprüfen.
Kredit- und Kundenkarten: Kredit- und Kundenkarten verleiten dazu, Geld auszugeben, das nicht vorhanden ist. Bei Liquiditätsproblemen wird oft zwischen verschiedenen Karten jongliert. Kredit- und Kundenkarten sind jeweils mit Gebühren belastet, bei Zahlungsverzug werden Zinse bis max. 12% verrechnet. Um eine (weitere) Verschuldung zu verhindern, können Prepaid-Kreditkarten verwendet werden. Dies gilt es bei den jeweiligen Organisationen/Geschäften abzuklären.
Kontoüberzüge: Wenn Kontoüberzüge im Verhältnis zum Einkommen hoch sind, besteht Verrechnungsgefahr durch die Bank. Banken müssen bei der Verrechnung das betreibungsrechtliche Existenzminimum (BEX) berücksichtigen und dürfen nur den Betrag über dem BEX verrechnen. Verschuldungszinse betragen in der Regel 10%. Bei Sanierungen oder Privatkonkurs ist vorher das Konto zu einem anderen Finanzinstitut zu wechseln, falls es erheblich im Minus liegt. Auch bei einem Leben mit Schulden empfiehlt sich ein Bankenwechsel, wenn Gefahr der Verrechnung durch die Bank besteht. Kontoauszüge können Auskunft über das Ausgabeverhalten einer Person geben.
Steuern: Über 60% der Schulden in der Schweiz betreffen Steuerschulden. Gründe für Steuerschulden können das komplizierte System, hohe Rechnungen, Ermessenstaxation (Einschätzungsveranlagungen bei Nichteinreichen der Steuererklärung), hohe Steuern aufgrund fehlender Möglichkeit für Abzüge bei Rentner/innen oder der Wechsel von Quellenbesteuerung zur ordentlichen Besteuerung (Verfügung aufgrund Steuererklärung). Entsprechend können Vorausberechnungen von Steuern, termingerechte Abgabe von ausgefüllten Steuererklärungen, monatliche Akontozahlungen sowie allenfalls Steuererlassgesuche Steuerschulden verhindern (s. Stichwort: Steuern).
Privatdarlehen: Häufig bestehen bei Privatdarlehen keine Verträge und unklare oder keine Abmachungen bzgl. Rückzahlungsmodalitäten. Oft entstehen ein hoher Druck sowie Scham- und Schuldgefühle, die Schulden zurückzubezahlen, da das Darlehen von Familienangehörigen oder Freunden stammt. Oft kennen Darlehensgebende die finanzielle Situation von Darlehensnehmenden nicht genau. Es entsteht so die Gefahr der Verschuldung der Darlehensgebenden. Privatdarlehen werden bei der Schuldenrückerstattung gleich wie andere Gläubiger/innen behandelt. Für die rechtliche Durchsetzung ein unterzeichneter Darlehensvertrag von Vorteil (s. Quellen: Stolpersteine bei privaten Darlehen). Muster für Darlehensverträge sind im Beobachter Guider zu finden (s. Formulare: Darlehensvertrag).
1.2.2 Arten von Verlustscheinen
Es gibt zwei Arten von Verlustscheinen, den Pfändungsverlustschein und den Konkursverlustschein (s. Quellen: Schulden ABC). Wenn die/der Gläubiger/in in einer Pfändung nicht voll befriedigt wird, stellt ihr/ihm das Betreibungsamt einen Verlustschein aus, auf dem steht, in welchem Umfang er nicht gedeckt worden ist. Dies ist der sogenannte Pfändungsverlustschein. Ein Konkursverlustschein wird ausgestellt, wenn ein/e Gläubiger/in im Konkurs der Schuldnerin/des Schuldners nicht voll befriedigt wird. Darin wird aufgeführt, ob die/der Schuldner/in im Konkurs die Forderung anerkannt hat oder nicht. Da Verlustscheine verjähren und die Verjährung nur durch gewisse Handlungen wie erneute Betreibung unterbrochen werden kann, ist auch nach einem Konkursverfahren mit wiederholten Betreibungsverfahren zu rechnen (s. Kap. 3). Jedoch ist der/die Schuldner/in bei einer Betreibung mit einem Konkursverlustschein durch ein erweitertes Existenzminimum (Budget nach neuem Vermögen) besser vor einer Pfändung geschützt (s. Kap. 5.3).
1.3.1 Haftung bei Ehe und Schulden (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Ehe und Schulden)
Seit dem neuen Ehegesetz von 1988 haftet jede/r Ehegattin/Ehegatte mit ihrem/seinem Eigengut und ihrem/seinem Anteil an der Errungenschaft selbst für ihre/seine Schulden. Dies ist sowohl beim Güterstand Gütertrennung als auch beim gesetzlichen Güterstand Errungenschaftsbeteiligung der Fall. Es ist somit nicht nötig, bei einer Ver- oder Überschuldung durch einen Ehegatten zum Güterstand Gütertrennung zu wechseln. Wichtiger als der Güterstand ist das faktische Auseinanderhalten des Vermögens, so dass bei einer Betreibung und bei einer güterrechtlichen Auseinandersetzung nach Beendigung der Ehe belegt werden kann, wem welches Vermögen gehört. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Ehe durch Tod beendet wird. Wenn ein Ehepaar in Gütergemeinschaft lebt, kann die Betreibung eines Ehegatten dazu führen, dass die Gütertrennung angeordnet wird. Der Güterstand hat somit keinen Einfluss auf die Haftung, jedoch können Schulden somit einen Einfluss auf den Güterstand haben.
Bei der Haftung gilt während der Ehe jedoch der Sonderfall Vertretung der ehelichen Gemeinschaft. Das Zivilgesetzbuch ZGB sieht vor, dass Eheleute bei einem kleinen Kreis von Geschäften solidarisch füreinander haften, sofern folgende zwei Kriterien erfüllt sind (Art. 166 ZGB):
- Die Ehegatten leben zusammen.
- Die Ehegattin/der Ehegatte macht für die laufenden Bedürfnisse der Familie Schulden.
Bei diesen Geschäften wird davon ausgegangen, dass beide Ehegatten mit dieser Ausgabe und somit der Verschuldung dazu einverstanden sind. Was dazu gehört, bestimmt sich nach den finanziellen Verhältnissen des Ehepaars resp. der Familie (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Ehe und Schulden. I.d.R. haften die Ehegatten für KVG-Leistungen und Steuern solidarisch sowie für alle Verträge, welche solidarisch haftend unterzeichnet werden.
Bei den Geschäften für die laufenden Bedürfnisse des Haushalts haften die Eheleute nur deshalb solidarisch für einander, weil es das Gesetzt ausdrücklich vorsieht. Beispielsweise sieht auch das kantonale Steuergesetz die solidarische Haftung der Eheleute vor. Ist jedoch im Kanton Bern ein/e Ehegattin/Ehegatte zahlungsunfähig, wird in der Praxis die Steuerveranlagung gesplittet und jede/r Ehegattin/Ehegatte haftet nur noch für ihren/seinen Anteil der Steuerschuld (Art. 15 Abs. 5 StG).
1.3.2 Trennung, Scheidung, Tod eines Ehegatten und Schulden
Da Eheleute nur unter bestimmten Voraussetzungen solidarisch haften, haben eine Trennung oder Scheidung i.d.R. keinen Einfluss auf die Haftung der Ehegatten für Schulden. Je klarer die finanziellen Verhältnisse der Ehegatten schon während der Ehe waren (s. Kap. 1.3.1), desto einfacher ist die güterrechtliche Auseinandersetzung bei Scheidung oder Tod eines Ehegatten (s. Stichwort: Scheidung der Ehegatten und Stichwort: Erbrecht). Verstirbt die/der Ehegattin/Ehegatte, auf welchen die Betreibung oder Pfändung läuft, muss die Todesbescheinigung beim Betreibungsamt eingereicht werden, sodass das Betreibungsverfahren oder die Pfändung eingestellt werden kann. Haben die Schulden nur den verstorbenen Ehegatten betroffen, gehen sie in die Erbmasse über (s. Kap. 1.3.3). Haben beide Ehegatten solidarisch für die Schuld gehaftet, lief sie aber nur auf den Namen der/des verstorbenen Ehegattin/Ehegatten, werden sie nicht automatisch auf die/den verbleibenden Ehegattin/Ehegatten überschrieben. Die/der Gläubiger/in kann jedoch eine neue Betreibung bei der solidarisch haftenden Person einleiten.
1.3.3 Erbschaft und Schulden
Schulden sind vererbbar. Durch Erbausschlagung innerhalb von drei Monaten kann die Erbschaft von Schulden umgangen werden (s. Stichwort: Erbrecht). Eine Einmischung in die Erbschaft wird als Annahme derselben gewertet. Darunter gehören die Annahme eines Gegenstandes (ausgenommen davon sind Gegenstände ohne Wert) oder Handlungen, die nicht zur einfachen Verwaltung der zum Nachlass gehörenden Gegenstände dienen (s. Quellen: Ein Erbe ausschlagen). Um den Umfang eines Erbes herauszufinden, kann ein öffentliches Inventar verlangt werden (s. Stichwort: Erbrecht und Stichwort: Todesfall). Ist die Verschuldung offensichtlich wird von einer Ausschlagung ausgegangen.
2. Betreibungsverfahren und Rechtsmittel
In diesem Kapitel werden die Schritte eines Betreibungsverfahrens grob aufgezeigt. Detailliertere Informationen sind im Schulden ABC der Berner Schuldenberatung aufgeführt, da die Sozialberatung der Pro Senectute Kanton Bern keine vertiefte Schuldenberatung oder -sanierung leistet.
Wer seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, kann betrieben werden. Dazu muss die/der Gläubiger/in beim Betreibungsamt ein Betreibungsbegehren stellen und einen Kostenvorschuss leisten. Dieser hängt von der Höhe der zu betreibenden Forderung ab. Das Betreibungsamt hat die Rechtmässigkeit des Betreibungsbegehrens nicht zu kontrollieren, sondern handelt nur als Dienstleister für eine/n Gläubiger/in. Ist ein Betreibungsbegehren jedoch offensichtlich rechtsmissbräuchlich kann das Betreibungsamt die Zustellung des Zahlungsbefehls verweigern (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Betreibungsbegehren). Ein Zahlungsbefehl wird per Post oder persönlich durch den Betreibungsweibel zugestellt. Vor der Zustellung eines Zahlungsbefehls muss nicht unbedingt zuerst eine Mahnung verschickt werden (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Zahlungsbefehl). Gleichzeitig mit der Zustellung des Zahlungsbefehls wird ein Eintrag in das Betreibungsregister vorgenommen. Dieser Eintrag bleibt 5 Jahre sichtbar, unabhängig davon, ob die Schuld umgehend beglichen wird (Löschung s. Kap. 1.1.3). Die betriebene Person kann entweder den Betrag bezahlen oder einen Rechtsvorschlag erheben. Ein Rechtsvorschlag macht jedoch nur Sinn, wenn die Schuld nicht korrekt ist. Der Rechtsvorschlag kann direkt bei der überbringenden Person (Betreibungsweibel) oder innert 10 Tagen ab Zustellung beim Betreibungsamt erhoben werden. Ein Rechtsvorschlag kann formlos erhoben und muss nicht begründet werden. Er ist kostenlos. Er hat zur Folge, dass das Betreibungsverfahren gestoppt wird und das Verfahren auf die Rechtsebene verlagert wird (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Rechtsvorschlag). Parallel zum Rechtsvorschlag, kann die betriebene Person die/den Gläubiger/in via Betreibungsamt auffordern, Beweismittel beim Betreibungsamt zur Einsicht aufzulegen. Dies wird i.d.R. gemacht, wenn die betriebene Person nicht vollständig dokumentiert ist und deshalb nicht einschätzen kann, ob die Forderung korrekt und somit durchsetzbar ist. Die Frist für den Rechtsvorschlag läuft trotzdem weiter. Kommt die/der Gläubiger/in dieser Forderung nicht innert Frist nach, wird dies durch die/den Richter/in bei der Kostenverteilung in einem allfälligen Prozess berücksichtigt (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Vorlage der Beweismittel).
Nach einem Rechtsvorschlag erfolgt, nur auf Antrag des/der Gläubigers/Gläubigerin um Beseitigung des Rechtsvorschlags vor Gericht, das Rechtseröffnungsverfahren beim Regionalgericht (s. Quellen: Überblick über die Regionalgerichte). In diesem Rechtseröffnungsverfahren kann die/der Gläubiger/in das Gesuch um provisorische oder definitive Rechtseröffnung oder eine Anerkennungsklage einreichen. Ersteres kann sie/er stellen, wenn sie/er im Besitz von Dokumenten ist, welche die Schuld belegen. Die Anerkennungsklage muss sie/er einreichen, wenn kein entsprechendes Dokument vorliegt (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Rechtseröffnung). Innert 20 Tagen nach Zustellung des Entscheids über die Rechtsöffnung, wonach der Rechtsvorschlag provisorisch aufgehoben wird, kann die betriebene Person eine Aberkennungsklage einreichen. Mit der Aberkennungsklage verlangt die/der Schuldner/in, dass die Rechtseröffnung rückgängig gemacht wird und das Gericht feststellt, dass die Forderung nicht besteht. Das Gericht muss nun prüfen, ob das Geld in Wirklichkeit geschuldet wird. Nebst Urkunden sind nun weitere Beweismittel zugelassen. Wird keine Aberkennungseinklage eingereicht, erlangt die Rechtseröffnung nach Ablauf des Provisoriums nach 20 Tagen Rechtskraft (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Aberkennungsklage) und die Schuld kann betrieben sowie eine Pfändung eingeleitet werden.
Hat die betriebene Person die Rechnung bezahlt und will die/der Gläubiger/in die Betreibung nicht zurückziehen, kann sie beim zuständigen Regionalgericht die Aufhebung oder Einstellung der Betreibung beantragen, wenn sie mit einer Urkunde beweisen kann, dass die Forderung nicht mehr besteht (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Aufhebung der Betreibung).
Wer zu Unrecht betrieben worden ist kann mittels Feststellungsklage verlangen, dass die betreibende Partei die betriebene Forderung belegen muss. Ist letztere dazu nicht in der Lage, kann das Gericht die Betreibung aufheben. Eine Feststellungsklage kann eingereicht werden, auch wenn die betriebene Person die Frist für den Rechtsvorschlag verpasst hat und nicht über eine Urkunde verfügt, mit der sie die Aufhebung der Betreibung verlangen kann (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Feststellungsklage). Eine Rückforderungsklage kann jemand stellen, wenn er unter Druck einer Betreibung eine Forderung beglichen hat, die nicht bestanden hat. Die Frist dafür läuft ein Jahr nach der letzten Zahlung ab (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Rückforderungsklage).
Ist die Schuld korrekt und nach wie vor nicht bezahlt und ist kein Rechtsmittel (Rechtsvorschlag, Aberkennung-, Feststellungs- oder Rückforderungsklage) dagegen erhoben worden, kann die/der Gläubiger/in innerhalb eines Jahres ab dem Betreibungsbegehren ein Fortsetzungsbegehren stellen (s. Ablaufschema, Caritas Zürich). Das Betreibungsamt erlässt die Pfändungsankündigung (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Pfändung) und informiert die/den Schuldner/in darüber durch Zustellung der Pfändungsankündigung.
Ist die Schuld anerkannt und kann das Betreibungsverfahren weitergeführt und eine Pfändung eingeleitet werden, kommt beim Betreibungsamt die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums (BEX) zum Zug (s. Kap. 5.1). Für die Abzahlung der Schulden in einem Pfändungsverfahren werden einem Kollokationsplan sämtliche Forderungen erfasst und in Konkursklassen, resp. die Gläubiger in Gruppen, eingeordnet. Diese legen die Reihenfolge fest, in welcher die Schulden bezahlt werden müssen resp. der Prozentsatz, zu welchem die Forderung zurückerstattet werden muss, sofern mit Einkommen und Vermögen nicht alle Schulden vollständig getilgt werden können. Beispielsweise müssen die gesamten Forderungen der 1. Gruppe vollständig bezahlt werden, die Forderungen der 2. Gruppe zu 50% und diejenigen der 3. Gruppe zu 10%.
Nicht jedes Einkommen und Vermögen ist pfändbar (s. Kap. 6). Wenn verhindert werden soll, dass ein pfändbarer und gepfändeter Gegenstand auf Antrag einer Gläubigerin/eines Gläubigers verwertet wird, kann ein Gesuch um Verwertungsaufschub gestellt werden. Dieser wird nur unter gewissen Voraussetzungen bewilligt, u.a. wenn die Schuld innert einem Jahr getilgt werden kann (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Verwertungsaufschub). Der Verwertungsaufschub kommt in der Praxis hauptsächlich in Bezug auf Liegenschaften zum Zug.
Kann eine Schuld nicht oder nicht vollständig beglichen werden, wird das Betreibungsverfahren eingestellt und das Betreibungsamt stellt einen Verlustschein aus. Auf einem Verlustschein ist nur die Restschuld aufgeführt, es dürfen keine Gebühren oder Zinse darin enthalten sein. Wenn ein Verlustschein vorliegt, bedeutet das, dass das Verfahren abgeschlossen ist, es muss aber nicht unbedingt bedeuten, dass die Schuld rechtmässig ist. Dies kann z.B. sein, wenn kein Rechtsmittel gegen eine ungerechtfertigte Betreibung ergriffen worden ist (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Verlustschein).
3. Fristen, Verjährung und Verwirkung
Die Berner Schuldenberatung hat einen Katalog über die Fristen und Zeitbestimmungen im SchKG erstellt (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Fristen). Gewisse Fristen wurden im Kap. 2 bereits erwähnt. Im SchKG werden Betreibungsferien und Rechtsstillstände definiert, welche betriebene Personen in gewissen Zeiten vor der Zwangsvollstreckung schützt (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Betreibungsferien und Rechtsstillstand). Beispielsweise dürfen Zahlungsbefehle während sogenannten geschlossenen Zeiten (vor 7 Uhr und nach 20 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen) nicht zugestellt werden. Betreibungsferien, in welchen keine Zahlungsbefehle zugestellt werden dürfen sind 7 Tage vor und nach Ostern, zwischen 15. und 31. Juli sowie 7 Tage vor und nach Weihnachten. Auch Rechtsstillstände verschonen Schuldner/innen bei besonderen Lebensumständen vor Betreibungen. Dazu gehören Militär, Zivil- oder Schutzdienst, Todesfall in der Familie, Verhaftungen, schwere Erkrankungen oder Epidemien und Landesunglück. Fristen, die während einer Schonzeit enden, verlängern sich bis zum Ende der Betreibungsferien oder des Rechtsstillstands und teilweise drei Tage darüber hinaus. Es sind nicht sämtliche Handlungen während dieser Schonfristen verboten. Die Berner Schuldenberatung hat erlaubte und verbotene Handlungen im Stichwort: Betreibungsferien und Rechtsstillstand in einer Tabelle aufgelistet (s. Quellen: Schulden ABC).
Eine verpasste Frist kann wiederhergestellt werden. Wer durch ein unverschuldetes Hindernis davon abgehalten worden ist, innert Frist zu handeln, kann die Aufsichtsbehörde oder die in der Sache zuständige richterliche Behörde um Wiederherstellung der Frist ersuchen. Sie/er muss innerhalb der gleichen Frist ab Wegfall des Hindernisses ein begründetes Gesuch einreichen und die versäumte Rechtshandlung bei der zuständigen Behörde nachholen (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Fristen).
Es wird zwischen öffentlich-rechtlicher und privat-rechtlicher Verjährung sowie Verwirkung unterschieden. Im Gesetzt werden die Terminologien jedoch nicht immer korrekt verwendet (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Verjährung).
Öffentlich-rechtliche Verjährungsfristen müssen von Amtes wegen berücksichtigt werden. Es gelten dabei die Verjährungsfristen des OR, ausser, wenn die Fristen in einem Spezialgesetzt (z.B. des Sozialhilfegesetz oder das Steuergesetz) separat geregelt sind.
Bei privat-rechtliche Verjährungsfristen kann die Verjährung nur durchgesetzt werden, wenn der/die Schuldner/in Einrede gegen die Verjährung erhebt. Wird keine Einrede gegen die Verjährung erhoben, darf das Gericht die Verjährung nicht von Amtes wegen berücksichtigen. Die Forderung geht aber auch durch eine Einrede gegen die Verjährung nicht unter, sprich, die Forderung erlöscht nicht. Sie kann jedoch vor Gericht nicht mehr durchgesetzt werden.
Seit der Revision des Verjährungsrechts per 01.01.2020 kann ein/e Schuldner/in schriftlich für max. 10 Jahre auf das Erhebung der Verjährungseinrede verzichten. Dieser Verzicht muss explizit erfolgen und darf nicht über Kleingedrucktes in den AGB geschehen.
Eine Verwirkung bedeutet, dass nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne das Recht (z.B. das Recht auf Einreichung eines Rechtsvorschlags) unter geht, sprich erlischt. Diese Verwirkungsfrist muss von Amtes wegen berücksichtigt werden. Detaillierte Informationen dazu s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Verjährung.
Die Verjährung einer Forderung beginnt mit der Fälligkeit einer Forderung. Die Verjährungsfrist für Forderungen beträgt i.d.R. 10 Jahre. Bei Feststellung einer Forderung durch ein Gericht, dauert die Verjährungsfrist immer 10 Jahre.
Es gibt viele davon abweichende Verjährungsfristen. Im Folgenden werden die für die Sozialberatung der Pro Senectute relevantesten Abweichungen aufgeführt:
- 20 Jahre Verjährungsfrist gilt für Verlustscheine.
- 5-jährige (Art. 128 OR) Frist gilt für periodische Leistungen, wie Mietzinse, Alimente, Abonnemente, Internet, Telefon, TV
Weitere Abweichungen von der 10-jährigen Verjährungsfrist werden im Schulden ABC der Berner Schuldenberatung (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Verjährung) aufgeführt.
Das Steuergesetz des Kantons Bern (StG) sieht zwei Verjährungsfristen vor, eine für die Veranlagung (s. Art. 162 StG), die andere für die Bezahlung (Bezugsverjährung) der verfügten Forderung (Art. 163 StG). Die Steuerforderungen verjähren 5 Jahre, nachdem die Steuerveranlagung rechtskräftig geworden ist. Stillstand und Unterbrechung der Verjährungsfrist sind in Art. 162 StG geregelt. Die absolute Verjährungsfrist beträgt 10 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Steuern rechtskräftig festgesetzt worden sind (Art. 163 Abs. 3 StG).
Eine Verjährung kann durch folgende Handlungen unterbrochen werden:
- Betreibung resp. Einreichung des Betreibungsbegehrens
- Konkurseingabe
- Schlichtungsgesuch und Klage
- Anerkennende Handlung des Schuldners
- Verzicht auf Verjährungseinrede (neu seit 1.1.2020, einmalig für max. 10 Jahre)
Eine blosse Mahnung unterbricht die Verjährung nicht. Deshalb werden Forderungen, für die ein Verlustschein besteht, oft kurz vor Ablauf der 20-jährigen Verjährungsfrist, erneut betrieben.
4. Betreibungskosten und unentgeltliche Prozessführung (uP)
Wer ein Betreibungsverfahren einleitet, muss einen Kostenvorschuss bezahlen. Die Betreibungskosten müssen von der unterliegende Partei bezahlt werden. Dabei handelt es sich einzig um die amtlichen Betreibungskosten. Dabei handelt es sich um Gebühren, die in der Gebührenverordnung zum SchKG (Art. 16 GebVo) festgelegt sind. Die Gebühr soll die amtlichen Kosten decken. Weitere private Kosten müssen von Schuldner/in und Gläubiger/in selbst getragen werden. Die Inkassogebühren muss in jedem Fall die/der Gläubiger/in bezahlen (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Betreibungskosten). Welche Kosten der/die Schuldner/in oder der/die Gläubigerin in einem Inkassoverfahren tragen muss s. Kap. 9.
In betreibungsrechtlichen Verfahren kann sowohl für Schuldner/innen als auch für Gläubiger/innen ein Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung bestehen. Es gelten dieselben Voraussetzungen, wie in anderen Gerichtsverfahren, nämlich die finanzielle Situation sowie, dass der Prozess nicht aussichtslos sein darf (s. Stichwort: unentgeltliche Prozessführung). Zudem kann in gewissen Fällen ein/e amtliche/r Anwältin/Anwalt beigeordnet werden. Eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass der Sachverhalt nicht von Amtes wegen ermittelt werden muss.
Übergibt ein/e Gläubiger/in die Eintreibung der Schuld(en) einem Inkassobüro, haftet er/sie vollumfänglich selbst für die daraus entstehenden Inkassogebühren resp. -kosten (s. Kap. 9).
5. Existenzminima bei Schulden / Budgets
Im Folgenden werden drei relevante Existenzminima erklärt. Sie dienen der Sozialberatung von Pro Senectute als Grundlagewissen zum besseren Verständnis der finanziellen Situation von Menschen mit Schulden oder nach einem Privatkonkurs sowie zur Einschätzung, welche Vorgehensweise (Leben mit Schulden, Triage an Schuldenberatungsfachstelle sowie Abwägung zwischen Bezahlung einer Rechnung oder Abwarten von Betreibungsverfahren) sinnvoll ist. Das betreibungsrechtliche Existenzminimum wird vom Betreibungsamt verwendet und dient dazu zu berechnen, wie viel Einkommen gepfändet und an die Gläubiger/innen weitergeleitet werden kann. Das Sanierungsbudget ist Grundlage einer Schuldensanierung durch eine Schuldenberatungsstelle, mit dem Ziel schuldenfrei zu werden. Das Budget nach einem Privatkonkurs zeigt auf, wie ein Leben mit Schulden aussieht und wann erneut ein Betreibungsverfahren eingeleitet werden kann.
Die Richtlinien über die Berechnung des (betreibungsrechtlichen) Existenzminimums sind im Kreisschreiben Nr. B1 des Obergerichts des Kantons Bern festgehalten (s. Rechtliches: Kreisschreiben und Musterformulare – Betreibung und Konkurs im Besonderen). Das betreibungsrechtliche Existenzminimum (BEX) besteht aus einem Lebensbedarf je nach Haushaltsgrösse und Alter der im Haushalt lebenden Personen sowie deren Beziehung zueinander, den Wohn- und Gesundheitskosten sowie den berufsbedingten Ausgaben (s. Rechtliches: Kreisschreiben Nr. B1 Richtlinien über die Berechnung des Existenzminimums und s. Formulare: Budget betreibungsrechtliches Existenzminimum und s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Einkommenspfändung). Steuern werden nicht als Ausgaben anerkannt, was zur Folge hat, dass während der Einkommenspfändung neue Schulden entstehen (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Einkommenspfändung).
- Lebenshaltungskosten (Pauschale Alleinstehende Fr. 1'200.-, Ehepaare Fr. 1'700.-) enthalten Nahrung, Kleidung, Körper- und Gesundheitspflege, Privatversicherungen, Kulturelles, Strom, bei nichterwerbstätigen Senioren und Seniorinnen auch Mobilitätskosten (Ausnahme s. unten).
- Mietzins muss den ortsüblichen Mietzinsen entsprechen und den wirtschaftlichen Verhältnissen und persönlichen Bedürfnissen angepasst sein. Wird der Mietzins vom Betreibungsamt oder einer/einem Gläubiger/in als zu hoch erachtet, kann ein Wohnungswechsel gefordert werden.
- Die durchschnittlichen Aufwendungen für die Beheizung und Nebenkosten der Wohnräume, insbesondere bei Personen, welche mit Strom heizen und daher sehr hohe Stromkosten haben.
- Krankenkassengrundversicherungen (und andere Sozialversicherungsbeiträge) werden als Ausgaben anerkannt, sofern sie bezahlt werden.
- Krankenkassenzusatzversicherungen werden gemäss Kreisschreiben Nr. B1 (s. Rechtliches) nicht berücksichtigt. Es ist jedoch zu empfehlen, eine Anerkennung bei den Ausgaben zu beantragen und zu begründen, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen notwendig sind, vor allem, wenn die Zusatzversicherungen Gesundheitskosten übernehmen.
- Berufsauslagen, soweit die/der Arbeitgeber/in nicht dafür aufkommt (s. Rechtliches: Kreisschreiben Nr. B1).
- Mobilitätskosten können je nach Wohnort (sehr abgelegen) und Gesundheitszustand separat als Ausgaben anerkannt werden.
- Sozialversicherungsbeiträge, sofern nicht bereits vom Lohn abgezogen, wie z.B. AHV-Mindestbeiträge bei Frühpensionierten.
- Rechtlich geschuldete Unterhaltsbeiträge, die nachgewiesenermassen geleistet worden sind und auch während der Dauer der Pfändung geleistet werden.
- Besondere Auslagen für Schulung der Kinder, wie öffentliche Verkehrsmittel, Schulmaterial
- Kinderbetreuung
- Abzahlung von Miete/Leasing von Kompetenzstücken
- Selbst getragene Krankheitskosten wie Franchise, Selbstbehalt, Medikamente, Fahrdienste
- Verschiedene Auslagen wie z.B. Umzugskosten
- Steuern (ausser Quellensteuern, da diese direkt vom Lohn abgezogen und somit indirekt berücksichtigt werden) werden nicht im Notbedarf berücksichtigt s. Kreisschreiben Nr. B1 (Rechtliches: Kreisschreiben und Musterformulare).
Das Einkommen, das über dem BEX-Budget liegt kann je nach Einkommensart gepfändet werden (s. Kap. 6). Eine Pfändung dauert i.d.R. 1 Jahr, danach erhält die/der Gläubiger/in einen Verlustschein für den offenen Restbetrag (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Einkommenspfändung). Ein/e Gläubiger/in kann damit, wenn es sich um einen ersten Verlustschein handelt, innert 6 Monaten seit Erstellung des Verlustscheins ein Fortsetzungsbegehren stellen und damit die Fortsetzung der Pfändung für weitere max. 12 Monate erzielen, ohne erneut betreiben zu müssen. Somit kann eine Pfändung max. 24 Monate dauern (s. Merkblätter: Verlustschein).
Mietzins und Krankenkassenprämien werden nur im BEX-Budget als Ausgabe anerkannt, wenn sie in den drei Monaten vor der Berechnung des Budgets nachweislich bezahlt worden sind. War dies nicht der Fall werden sie im Budget nicht als Ausgaben angerechnet, was dazu führt, dass ein höherer Anteil des Einkommens gepfändet wird und somit diese Ausgabeposten wiederum nicht bezahlt werden können. Um diese Verschuldungsspirale verlassen zu können, kann das Betreibungsamt im Voraus um Rückstellung des zu bezahlenden Betrags für Mietzins und/oder Krankenkassenprämie gebeten werden. Nach monatlichem Vorlegen des Zahlungsbelegs wird der allenfalls bereits gepfändete Anteil des Einkommens an den/die Schuldner/in zurückerstattet anstatt für die Bezahlung der Rechnung verwendet zu werden. Nachdem drei Monate lang die Ausgabeposten bezahlt und gegenüber dem Betreibungsamt die Zahlungen belegt worden sind, werden sie im BEX-Budget aufgenommen.
In diesem Kapitel wird nur auf das Sanierungsbudget eingegangen. Kriterien und Ziel einer Schuldensanierung werden in Kap. 7 erläutert. Eine Vorlage für ein Sanierungsbudget von Caritas Schweiz ist in den Quellen zu finden (s. Formulare: Sanierungsbudget).
Das Sanierungsbudget baut auf dem betreibungsrechtlichen Budget auf (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Sanierungsbudget). Es enthält jedoch zusätzliche Ausgaben, sogenannte Zuschläge, die nötig sind, um eine Neuverschuldung zu vermeiden. Diese bestehen aus einen Freibetrag, um die soziale Integration zu gewährleisten sowie aus einer Reserve für Unvorhergesehenes. Solche Ausgaben sind Steuern, höhere Ausgaben für Kinder ab 10 Jahren, vorhersehbare Ausgaben, die im Betreibungsrecht nicht vorgesehen sind, wie Gesundheitskosten, Rücklagen für Autoreparaturen. Im Unterschied zum betreibungsrechtlichen Existenzminimum bei Betreibungen werden die relevanten Ausgabeposten im Budget aufgenommen unabhängig davon, ob sie in der Vergangenheit bezahlt worden sind oder nicht.
Nach einem Privatkonkurs wird die Einkommenspfändung eingestellt (s. Kap. 8). Sobald aber neues Vermögen (z.B. durch eine Erbschaft) entstanden ist oder ein Einkommen erzielt wird, das als vermögensbildend qualifiziert wird, können Gläubiger/innen ihre Forderungen erneut geltend machen und deren Bezahlung über das Betreibungsamt einfordern. Gemäss Berner Schuldensanierung (s. Quellen: Materialien und Arbeitshilfen für Profis) ist die Praxis zur Berechnung des vermögensbildenden Einkommens in der Schweiz und auch bei den Gerichten im Kanton Bern uneinheitlich. Eine Berechnungsgrundlage für vermögensbildendes Einkommen ist auf der Website der Berner Schuldenberatung (s. Quellen: Materialien und Arbeitshilfen für Profis) zu finden. Ein Budget der Schuldenberatung von Caritas Schweiz ist unter Formularen abgelegt (s. Formulare: Budget nach Privatkonkurs).
Im Unterschied zum Betreibungsrechtlichen Existenzminimum und dem Sanierungsbudget werden im Budget nach einem Privatkonkurs die Kosten für den Lebensbedarf um 30-100% erhöht. Es werden Mietzins, Nebenkosten, Krankenkassenprämien sowie Krankheitskosten angerechnet. Die sogenannten Zuschläge werden unterschiedlich anerkannt (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: neues Vermögen nach Konkurs).
6. (Un-)Pfändbares Einkommen und Vermögen
Es gibt Vermögensstücke und Einkommensarten, die nie gepfändet werden dürfen. Grund dafür ist, dass betriebene Personen ein Minimum an Lebensqualität erhalten bleiben soll. Welche Vermögenswerte und Einkommensarten unpfändbar sind, wird durch den Bund festgelegt (Art. 92 SchKG). Detaillierte Informationen dazu s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Das absolut Unpfändbare. Im Folgenden werden die relevantesten pfändbaren und nicht pfändbaren Einkommen und Vermögen aufgeführt.
Folgende Einkommensarten sind absolut unpfändbar (Art. 92 SchKG). Sie können auch nicht gepfändet werden, wenn sie das betreibungsrechtliche Existenzminimum der betriebenen Person überschreiten (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Einkommenspfändung). Die Aufzählung ist abschliessend. Es sind folgende Einkommen:
- Renten nach AHV-/IV-Gesetz (1. Säule)
- Hilflosenentschädigungen
- Ergänzungsleistungen
- Leistungen der Familienausgleichskassen
- Entschädigungen für Körperverletzungen, Gesundheitsstörungen oder die Tötung eines Angehörigen
- Leistungen der Sozialhilfe
- Pekulium des Strafentlassenen
- Teilweise Leistungen nach UVG wie z.B. für Pflegeleistungen und Kostenvergütungen, Integritätsentschädigungen
- Teilweise Leistungen nach MVG wie z.B. Entschädigungen für Sachschaden, Anspruch auf Krankenpflege oder Zulagen sowie Integritätsrenten
Alle Einkommen, welche nicht unter den nicht pfändbaren Einkommen (s. Kap. 6.1.1) aufgeführt werden, sind pfändbar. Die absolute Unpfändbarkeit soll gemäss Bundesgericht eine Ausnahme von der Regel sein, sodass Renten grundsätzlich wie Lohn gepfändet werden können. Es hat daher eine österreichische Alterspension, welche in die Schweiz ausbezahlt wird, für pfändbar erklärt (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Einkommenspfändung). Pfändbar sind folglich folgende Einkommen:
- Erwerbseinkommen aus Erwerbsarbeit
- Scheidungsrenten
- Taggelder von Versicherungen wie ALV, IV, UV, MV, KV
- Erwerbsausfallentschädigungen wie Invaliden- und Hinterlassenenrenten sowie Abfindungssummen nach UVG und MVG
- Stipendien
- Unterhaltsbeiträge (Art. 93 SchKG)
- Alters- und Invalidenrenten nach BVG (2. Säule)
- Ausländische Altersrente beschränkt pfändbar gemäss BGE 134 III 608
Wenn pfändbare und unpfändbare Einkommen zusammentreffen, kann nur max. 100% des pfändbaren Einkommens gepfändet werden, auch wenn gemäss betreibungsrechtlichem Existenzminimum (BEX) ein grösserer Teil des Einkommens gepfändet werden könnte.
Beispiel: Eine Seniorin lebt mit AHV-Rente Fr. 1'900.-, BVG-Rente von 150.- und Ergänzungsleistungen von Fr. 1350.-, total Fr. 3'400.-. Das BEX beträgt Fr. 3'000.-, das Einkommen liegt somit Fr. 400.- über dem BEX und es könnten diese Fr. 400.- gepfändet werden. Da nur die BVG-Rente pfändbar ist, können nur Fr. 150.- gepfändet werden.
Nebst Einkommensarten gibt es auch Vermögenswerte, die nicht pfändbar sind. Diese sind im Art. 92 SchKG geregelt. Ziel davon ist, dass einer betriebenen Person ein Minimum an Lebensqualität bleiben soll und dass gewisse öffentliche Interessen geschützt werden sollen. Nur der Bund hat die Kompetenz, Gegenstände und Forderungen der Pfändung zu entziehen, Kantone oder Private können keine Unpfändbarkeiten festlegen (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Das absolut Unpfändbare). Es werden die im Art. 92 SchKG festgelegten Unpfändbarkeiten im Folgenden grob aufgeführt, Details sind dem Stichwort der Berner Schuldenberatung zu entnehmen (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: das absolut Unpfändbare).
- zum persönlichen Gebrauch dienende Gegenstände, wie Kleider, Hausgeräte, Möbel, soweit sie unentbehrlich sind
- Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden oder eine gewisse Anzahl Tiere, sofern sie für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie oder zur Aufrechterhaltung des Betriebs unentbehrlich sind
- Religiöse Bücher und Kulturgegenstände
- Gegenstände, die zur Ausübung des Berufs notwendig sind
- Stammrecht der nach Art. 516-520 OR bestellten Leibrenten
- Vermögenswerte eines ausländischen Staates oder einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen
- Auto, wenn es für die Arbeit oder wegen Behinderung nötig ist
- PK-Freizügigkeitsguthaben auf gesperrtem Freizügigkeitskonto (ausbezahltes Kapital s. Kap. 6.1.5)
Grundsätzlich können alle Vermögenswerte gepfändet werden, wenn sie nicht unpfändbar sind (s. Kap. 6.1.4 und s. Quellen: Schulden ABC).
Auch Erbschaften sind pfändbare Vermögenswerte. Bei unverteilten Erbschaften kommt die Verordnung über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen (VVAG) zum Zug (s. Rechtliches). Bei gesetzliche Erben, welche verschuldet sind, kann die Präventiventerbung eingesetzt werden (s. Stichwort: Testament). Aber Achtung: ein aktiver Erbverzicht kann jedoch strafrechtliche Konsequenzen haben, weil ein/e Schuldner/in damit bewusst dem/der Gläubiger/in Vermögen entzieht.
Bei bereits ausbezahltem Freizügigkeitskapital aus der beruflichen Vorsorge (BVG) ist zu berücksichtigen, dass nur max. der Betrag des Freizügigkeitskapitals gepfändet werden darf, der einer Jahresrente entspricht (s. Quellen: Pfändung von Pensionskassengeld). Dieser Betrag kann anhand der Umrechnungstabelle vom Bund (s. Merkblätter: Leibrente ab 2005) berechnet werden. Das Betreibungsamt Biel hat diese Praxis bestätigt (s. Quellen: Berechnung pfändbare Jahresrente aus Freizügigkeitsguthaben).
Beispiel: Ein Senior hat sich bei der Pensionierung mit 65 Jahren (ordentliches Rentenalter) sein Freizügigkeitskapital in der Höhe von Fr. 60'000.- auszahlen lassen. Sein Vermögen auf der Bank besteht nur aus diesem Freizügigkeitskapital, er kann das belegen (bestenfalls hat er sich das Geld auf ein separates Konto auszahlen lassen und seither nur für die Finanzierung des Lebensunterhalts Geld von diesem Konto bezogen). Gemäss oben erwähnter Tabelle beträgt die Jahresrente bei einem Kapital von Fr. 1'000.- für einen Mann im Alter von 65 Jahren 50.77. Somit beträgt die Jahresrente Fr. 3'046.20 bei einem Kapital von Fr. 60'000.- (50.77x60). Für die Berechnung der Jahresrente werden der ausbezahlte Nettobetrag (nach Abzug der Steuern) und das Alter zum Zeitpunkt der Auszahlung verwendet. Es können folglich nur Fr. 3'046.20 gepfändet werden. Hat der Senior bereits einen Teil des ausbezahlten Freizügigkeitskapitals verbraucht, wird für die Berechnung der Jahresrente nur das noch vorhandene Kapital berücksichtigt. Hat der Senior also Fr. 20'000.- verbraucht, werden in der oben aufgeführten Berechnung nur noch Fr. 40'000.- (anstatt Fr. 60'000.-) für die Berechnung verwendet.
7. Schuldensanierung
Ziel einer Schuldensanierung ist es, schuldenfrei zu werden. Voraussetzung für eine Schuldensanierung ist, dass genügend Geld vorhanden ist, um die Schulden zurückzuzahlen. Das kann einerseits mit Vermögen (z.B. durch Erbschaft oder Auszahlung von Freizügigkeitsguthaben aus der zweiten Säule bei der Pensionierung) geschehen, andererseits mit einem Einnahmeüberschuss bei einem Sanierungsbudget (s. Kap. 5.2). Bei einer Schuldensanierung werden Rückzahlungsvereinbarungen mit allen Gläubigern/Gläubigerinnen getroffen. Es kann vereinbart werden, dass alle Schulden in Raten zurückbezahlt werden oder dass nur ein Teil der Schulden zurückbezahlt werden muss. Dabei werden sowohl offene Rechnungen als auch Schulden, für welche bereits Verlustscheine bestehen, berücksichtigt (s. Quellen: Schuldensanierung).
Eine Schuldensanierung sollte nicht länger als 36 Monate dauern. Bei einer Schuldensanierung aus dem Einkommen (Budgetüberschuss aus Sanierungsbudget) wird der monatliche Budgetüberschuss mit 36 Monaten multipliziert. Mit diesem Betrag müssen entweder alle Schulden bezahlt werden können oder die Gläubiger/innen verzichten auf einen Teil der Forderungen, sodass mit der Rückzahlung des einen Teils der andere Teil erlassen wird. Dasselbe Verfahren (Teilzahlung der Schuldner/innen und Teilverzicht durch Gläubiger/innen) kann auch bei Schuldenzahlung aus Vermögen angewendet werden (s. Quellen: Schuldensanierung).
Grundsätzlich müssen alle Gläubiger/innen gleichbehandelt werden. Bei nicht Gleichbehandlung müssen die anderen Gläubiger/innen darüber informiert werden. Gewisse Gläubiger/innen werden jedoch privilegiert behandelt und erhalten immer 100% der Forderung (s. Quellen: Schuldensanierung). Damit eine aussergerichtliche Schuldensanierung möglich ist und ein sogenannter aussergerichtlicher Nachlassvertrag zustande kommt, müssen alle Gläubiger/innen einverstanden sein. Wenn dies nicht der Fall ist, braucht es einen sogenannten gerichtlichen Nachlassvertrag (detaillierte Informationen dazu s. Quellen: Schuldensanierung und s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort Nachlassvertrag).
8. Privatkonkurs
Ein Privatkonkurs ist keine Schuldensanierung. Die Schulden bleiben bestehen. Jedoch führt ein Privatkonkurs dazu, dass laufende Betreibungsverfahren (und somit Einkommenspfändungen) aufgehoben werden und so eine wirtschaftliche Erholung möglich ist. (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort Privatkonkurs). Verlustscheine aus einem Privatkonkurs haben eine 20-jährige Verjährungsfrist. Ein Konkurs kann ein erster Schritt zur Schuldensanierung sein. Nachdem die finanzielle Lage konsolidiert worden ist, können Verlustscheine zurückgekauft und somit abbezahlt werden.
Ein Privatkonkurs macht Sinn, wenn einerseits eine Schuldensanierung nicht möglich ist, weil bei einem Schuldensanierungsbudget kein Einnahmeüberschuss entsteht oder die Schulden im Verhältnis zum Einkommen sehr hoch sind und andererseits wenn das Budget genügend hoch ist, dass keine weiteren Schulden entstehen. Wenn letzteres nicht zutrifft, wird von einer Schuldensanierung abgeraten (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Privatkonkurs). Auch wenn keine Einkommenspfändung besteht oder möglich ist, wie beispielsweise bei Rentnern/Rentnerinnen, welche über keine pfändbare Einkommen verfügen (s. Kap. 6). Das Budget nach einem Konkurs ist in Kap. 5.3 erläutert.
Ein Privatkonkurs kostet im Kanton Bern rund Fr. 5'000.- bei Einzelpersonen und Fr. 8'000.- bis 10'000.- bei Ehepaaren und muss vom/von der Schuldner/in bezahlt werden. Eine unentgeltliche Prozessführung kommt hier nicht zum Zug (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Privatkonkurs). Wenn die Schulden nicht viel höher sind als die Kosten eines Privatkonkurses, macht es mehr Sinn, diesen Betrag in die Abzahlung von Schulden anstatt in einen Privatkonkurs zu investieren. Finanziert die Pro Senectute über ein Gesuch (EHF PSCH möglich, über IF nicht möglich) einen Privatkonkurs, sollte dies entweder in Form eines Darlehens geschehen oder es muss ein Antrag beim Konkursamt gestellt werden, dass ein allfälliger Überschuss aus der Konkursmasse an die Pro Senectute zurückbezahlt werden soll (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Privatkonkurs). Das hat zur Folge, dass ein allfälliger Restbetrag zurückerstattet wird und nicht in die Konkursmasse fliesst. Bei einem Privatkonkurs ruft das Gericht alle Gläubiger/innen auf, sich zu melden (genauer Ablauf s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Privatkonkurs). Forderungen von vor dem Privatkonkurs können zwar betrieben werden, haben aber keine Pfändung zur Folge, sofern der/die Schuldner/in Rechtsvorschlag oder Einrede kein neues Vermögen erhebt. Dies bleibt auch nach dem Konkurs so, sofern kein neues Vermögen gebildet werden kann. Wer Konkurs gemacht hat und von einem Konkursgläubiger betrieben wird, muss innert der Rechtsvorschlagsfrist die Einrede des mangelnden Vermögens erheben (s. Quellen: Materialien und Arbeitshilfen für Profis), sofern effektiv kein neues Vermögen gebildet werden konnte. Jedoch können Einkommen wieder gepfändet werden, wenn Forderungen nach dem Privatkonkurs entstanden sind. Dies ist auch der Grund, weshalb ein Privatkonkurs nur Sinn macht, wenn danach keine neuen Schulden entstehen. Bei Betreibungen nach einem Konkurs muss deshalb genau geprüft werden, für welche Rechnungen resp. betreffend welchen Zeitpunkt diese Betreibungen erfolgen.
Sobald ein/e Schuldner/in nach einem Privatkonkurs über neues Vermögen oder vermögensbildendes Einkommen verfügt, können sich Gläubiger/innen wieder melden und die Abzahlung der Verlustscheine einfordern (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Neues Vermögen nach Konkurs). Gläubiger/innen können sich vor Ablauf der 20-jährigen Verjährungsfrist wieder melden, um den Verlustschein zu reaktivieren, auch wenn kein neues Vermögen oder vermögensbildendes Einkommen existiert. Dies dient dazu, eine neue Verjährungsfrist zu erwirken. Umgang damit s. Links: Fallbeispiel Reaktivierung Verlustschein nach Privatkonkurs).
Vorteile eines Privatkonkurses sind, wie teilweise oben schon erwähnt, dass laufende Betreibungen eingestellt werden, dass Konkursverlustscheine unverzinslich und nur bei neuem Vermögen eintreibbar sind. Nachteile sind, dass die Schulden bestehen bleiben, die Gläubiger/innen sich jederzeit melden können und ein Eintrag im Betreibungsregister bleibt, bis alle Konkursverlustscheine bezahlt und gelöscht worden sind.
9. Inkassobüros
Inkassobüros sind private Unternehmen, die im Auftrag von verschiedenen Unternehmen deren Forderungen eintreiben. In der Regel fordern sie diese Beträge ein, ohne vorher zu prüfen, ob die Forderungen überhaupt berechtigt sind. Der Umgangston ist meist harsch bis drohend, Formulierungen sind oft irreführend (s. Quellen: Was Inkassobüros nicht dürfen). Es werden zudem die Grundforderungen mit Zuschlägen und überhöhten Zinsen und Verzugsschäden ergänzt, sodass der zu bezahlende Betrag im Extremfall mehr als doppelt so hoch ist als die Grundforderung (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Inkassobüros). Mit aggressiver Kommunikation sollen Schuldner/innen dazu gedrängt werden, Abzahlungsvereinbarungen zu unterschreiben, in welcher darin enthaltene ungerechtfertigte oder umstrittene Spesen und Kosten anerkannt werden. Die Unterschrift einer solchen Ratenzahlungsvereinbarung wird dann als Schuldanerkennung auch der Nebenforderung gewertet. Gemäss Kassensturz ist dieses Vorgehen jedoch unzulässig (s. Quellen: Was Inkassobüros nicht dürfen). Egal, ob der gemahnte Betrag fälschlicherweise oder zu Recht gemahnt wird, sind Einschüchterungen, Drohungen und Belästigungen durch das Inkassobüro strafbar (s. Quellen: Inkassobüros.
Basis für Verhandlungen mit oder Abklärungen bei einem Inkassobüro ist, dass dieses eine Vollmacht vorlegt, welche beweist, dass es berechtigt ist, im Namen des Gläubigers zu handeln und, dass die Schulden dem Inkassobüro bezahlt werden müssen.
Ein/e Gläubiger/in hat Schadensminderungspflicht. Er/sie kann direkt beim Betreibungsamt ein Betreibungsbegehren stellen und ist somit nicht auf die Schuldeintreibung durch ein Inkassobüro angewiesen. Wird ein/e Schuldner/in durch ein Inkassobüro angegangen ist Folgendes zu kontrollieren (s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Inkassobüros):
- Ist das Inkassobüro berechtigt, im Namen der/des Gläubigerin/Gläubigers zu handeln? Liegt eine entsprechende Vollmacht vor?
- Liegt eine Urkunde vor, die bestätigt, dass die Schuld dem Inkassobüro bezahlt werden muss anstatt dem/der Gläubiger/in?
- Ist die Hauptforderung korrekt? Aufgelaufene Zinse dürfen nicht in die Hauptforderung eingerechnet werden.
- Sind die Zinse korrekt berechnet? Es dürfen 5% Jahreszins dazugerechnet werden, sie müssen aber separat aufgeführt werden.
- Falls ein Verzugsschaden gefordert wird, muss dieser begründet und belegt werden. I.d.R. wird davon ausgegangen, dass der Verzugsschaden mit Verrechnung des Verzugszinses abgedeckt ist.
- Was als diverse Auslagen oder Gebühren aufgeführt wird, muss begründet sein. Der Beizug eines Rechtsberaters bei einer trivialen Betreibung ist nicht nötig. Auch hier gilt das Prinzip der Schadensminderungspflicht der Gläubigerin/des Gläubigers.
Folgende Kosten müssen vom/von der Schuldner/in übernommen werden:
- Grund- resp. Rechnungsbetrag
- Verzugszins von 5% (Art. 104, Abs. 1 OR), sofern kein anderer vereinbart wurde (Art. 104, Abs. 2 OR)
- Mahngebühren, sofern diese vertraglich festgelegt sind
- Kosten für gerechtfertigte Betreibungen, welche die/der Gläubiger/in oder das Inkassobüro dem Betreibungsamt bezahlt hat
Weitere Posten dürfen nicht auf die/den Schuldner/in überwälzt werden (Art. 27 Abs. 2 SchKG)):
- Personalaufwand wie Kundenkosten und Dossiereröffnungskosten
- Bearbeitungsgebühren, Umtriebsentschädigungen, Adressverifizierung und Rechtsberatungskosten
- Bonitätsprüfungskosten / Wirtschaftsexpertise
- Verzugsschaden nach Art. 106 OR
Vorsicht ist geboten bei Zahlung der Forderung in Raten, denn die Unterschrift der Ratenzahlungsvereinbarung des Inkassobüros gilt als Schuldanerkennung auch der Nebenforderungen. Weitere Informationen zum Umgang mit Inkassobüros und deren Drohgebärden s. Stichwort: Inkassobüros der Berner Schuldenberatung (s. Quellen: Schulden ABC).
Demnach müssen die in Rechnung gestellten Forderungen genau überprüft werden (s. Quellen: Was Inkassobüros nicht dürfen und s. Quellen: Schulden ABC, Stichwort: Inkassobüros). Umgang mit Inkassobüros s. Stichwort: Inkassobüros von der Berner Schuldenberatung (s. Quellen: Schulden ABC) sowie Beobachter: Inkassobüros (s. Quellen) und Kassensturz: Was Inkassobüros nicht dürfen (s. Quellen).
10. Beratungsstellen
Berner Schuldenberatung:
Die Berner Schuldenberatung berät im Auftrag der kantonalen Gesundheits- Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) überschuldete Privatpersonen und Fachpersonen, welche überschuldete Personen betreuen. Die telefonische oder allgemeine Erstberatung von Privatpersonen sowie die Beratung von Fachpersonen ist kostenlos. Sie macht Budgetberatungen, Abklärungen, rechtliche Beratungen, Verhandlungen, Gesuche, Schuldensanierungen und Konkursbegleitungen. Auf ihrer Website gibt es ein Schulden-ABC für Privatpersonen und Professionelle sowie Materialien und Arbeitshilfen für Profis, wie Monatsbudgetvorlage, Sanierungsbudget, Kreditfähigkeitsprüfung (auch zugänglich für Privatpersonen). Sie bietet auch Weiterbildungen für Sozialtätige an sowie (eigene) Publikationen. Pro Senectute Kanton Bern triagiert verschuldete Personen an die Berner Schuldenberatung, bestenfalls nach Vorabsprache mit der Berner Schuldenberatung. Die Berner Schuldenberatung hat Beratungsstellen in Bern, Biel, Burgdorf und Spiez.
, 031 376 10 10 (Telefonberatung)
Centre social protestant Bern-Jura (CSP), Secteur social et dettes:
Le Service dettes du CSP Berne-Jura est spécialisé dans la gestion de budget et le désendettement. Il est le pendant du service bernois de conseil en matière d'endettement (Berner Schuldenberatung) pour les francophones du canton de Berne. Le CSP s'adresse en principe aux personnes de tous âges. Les personnes âgées qui ne vivent qu'avec une rente AVS et des PC sont orientées vers Pro Senectute de leur part, car elles ne disposent pas de revenus saisissables. Toutefois, si une personne perçoit également une rente ou un capital de 2e pilier saisissable et/ou dispose d'une fortune saisissable, elle peut être triée vers le CSP après accord préalable du SAR PSBE avec le Service dette du CSP.
, 032 493 32 21 (pour Bienne)
Frauenzentrale Bern:
Die Frauenzentrale Bern berät punktuell und umfassend zu Altersvorsorge, Rechtsfragen, Finanzen und Alimenteninkasso an den Beratungsstellen in Bern, Biel, Langenthal, Interlaken und Thun. Die Budgetberatung kostet je nach Einkommen und Aufwand min. Fr. 55.-. Termine können online und telefonisch vereinbart werden.
, 031 311 72 01
Schuldenberatung Caritas Schweiz:
Auf der Website der Caritas Schuldenberatung sind Informationen rund um die Themen Geld, Budget und Schulden zu finden. Fragen können online (sie werden je nach Wohnort an für das Gebiet zuständige Schuldenberatungsfachstellen weitergeleitet) und telefonisch via SOS Beratungs-Hotline gestellt werden. Zudem verweist sie auf die regional und kantonal zuständigen Beratungsstellen.
0800 708 708 (SOS-Beratungs-Hotline)
Fachstelle Schuldensanierung Berner Oberland und Mittelland:
Die Fachstelle Schuldensanierung hat im Kanton Bern zwei Beratungsstellen, eine in Thun und eine in Lyss. Sie berät Privatpersonen und Firmen bezüglich Schuldensanierung, macht Lohnverwaltungen zur Verhinderung einer Verschuldung und engagiert sich mit Vorträgen, Workshops und Kursen, um Verschuldungen vorzubeugen. Die Erstberatung kostet Fr. 85.-, danach wird ein Stundentarif verrechnet.
Berner Oberland:
, 033 221 80 60
Mittelland:
, 032 387 84 40
Schuldenberatung Schweiz:
Auf der Website des Dachverbands der gemeinnützigen Fachstellen für Schuldenberatung in der Schweiz sind nationale Themen wie Statistik und politische Vorstösse und Veränderungen aufgeführt. Für konkrete Beratungen wird auf die kantonalen Fachstellen verwiesen.
Quellen und Links
- Bundesgesetz über den Konsumkredit (KKG)
- Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
- Verordnung über die Pfändung und Verwertung von Anteilen an Gemeinschaftsvermögen (VVAG)
- Steuergesetz Kanton Bern (StG):
- Kreisschreiben und Musterformulare – Betreibung und Konkurs im Besonderen, Obergericht des Kantons Bern
Kreisschreiben Nr. A2 Unentgeltliche Rechtspflege bei den Betreibungs- und Konkursämtern, Obergericht des Kantons Bern (s. Rechtliche Grundlagen: Kreisschreiben und Musterformulare)
Kreisschreiben Nr. B1 Richtlinien über die Berechnung des Existenzminimums, Obergericht des Kantons Bern (s. Rechtliche Grundlagen: Kreisschreiben und Musterformulare)
keine
- Ein Erbe ausschlagen, ch.ch
- Primärschulden, SchuldnerBeratungen.org
- Betreibungsregisterauszug, ch.ch
- Inkassobüros – Die furchterregenden Methoden der Geldeintreiber, Beobachter Guider
- Inkassokosten, Beobachter Guider
- Materialien und Arbeitshilfen für Profis, Berner Schuldenberatung
- Pfändung von Pensionskassengeld, BeobachterGuider
- Schulden ABC, Berner Schuldenberatung
- Schulden: das Wichtigste in Kürze, SchuldnerBeratungen.org
- Schuldensanierung, Caritas Schweiz
- Überblick über die Regionalgerichte, Kanton Bern
- Stolpersteine bei privaten Darlehen, Crowd4cash.ch
- Was Inkassobüros nicht dürfen, Kassensturz Espresso SRF
- Worüber gibt der Betreibungsregisterauszug Auskunft?, Betreibungsämter des Kantons Aargau
- 40 Fragen für ein sauberes Betreibungsregister, Mario Roncoroni, Berner Schuldenbera-tung, 29.09.2021
Siehe auch
- Budgetberatung
- Erbrecht
- Haustür- und Onlinegeschäfte
- Scheidung der Ehegatten
- Sozialhilfe
- Testament
- Todesfall
- Trennung der Ehegatten
Änderungen im Stichwort
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