Suchterkrankungen und Beratungsstellen
26.04.2024 / cst
Zusammenfassung
In diesem Stichwort wird auf die Suchtstrategie des Bundes eingegangen und es werden die häufigsten Suchterkrankungen vorgestellt. Das Suchtverhalten verändert sich im Alter und wird körperlich, seelisch und mental spezifischer verarbeitet, was in den entsprechenden Kapiteln beschrieben wird. Der Entzug und die Therapiemöglichkeiten im Kanton Bern werden beschrieben und der Ansatz des kontrollierten Trinkens vorgestellt. Am Schluss werden die für unsere Arbeit wichtigen Beratungsstellen vorgestellt, sofern sie nicht bereits in anderen Stichworten enthalten sind.
1. Allgemein
Sucht entsteht unabhängig von Herkunft, Rahmenbedingungen und Alter. Die Suchtstrategie des Bundes unterscheidet das Konsumverhalten wie folgt (s. Quelle: Zum Begriff Sucht):
Risikoarmes Verhalten
Der Umgang und das Verhalten mit Substanzen oder Handlungen sind kontrolliert, nicht schädigend und jederzeit kontrollierbar und beendbar. Gesellschaftlich, persönlich und interaktiv entstehen keine Schädigungen; vielfach handelt es sich um gesellschaftlich akzeptierte Handlungen (z. B. ein Glas Wein an einem Fest trinken).
Risikoverhalten
Der Umgang mit Substanzen und das daraus resultierende Verhalten sind schädigend für die eigene Person und ihr Umfeld. Die Handlungen sind nicht mehr immer kontrollier- und beendbar. Es werden folgende Schadenspotentiale unterschieden:
- Exzessives Verhalten: Der Konsum grosser Mengen einer Substanz innert kurzer Zeit. Übermässiges und schädigendes Verhalten in einer kurzen Zeitperiode, häufig wiederholend (z.B. alle zwei Wochen morgens innert einer halben Stunde einen Liter Schnaps trinken).
- Chronisches Verhalten: Über einen längeren Zeitraum erfolgt regelmässig auftretender Konsum, der in seiner Kumulativität schädigend wirkt oder wirken kann (z.B. einen Halbliter Wein jeden Abend für sich trinken).
- Situationsunangepasstes Verhalten: Konsum in Situationen, in denen man sich oder andere gefährdet (z.B. übermässiges Trinken in der Schwangerschaft oder beim Autofahren).
Sucht
Medizinisch handelt es sich bei der Sucht um eine Erkrankung. Sie betrifft die Person auf biologischer, psychischer, physischer, sozialer und interaktiver Ebene. Sucht ist ein zwanghaftes Verhalten, das trotz Wissen um negative Folgen beibehalten wird. Es wird als Verhaltensstörung im Zusammenhang mit psychotropen Substanden und abhängigen Verhaltensweisen beschrieben (s. Quelle: Zum Begriff Sucht). Die Abhängigkeit weist folgende Symptome auf:
- Zwanghafter Drang zum Konsum
- Verminderte Kontrollfähigkeit des Konsums
- Entzugssymptome
- Toleranzbildung
- Vernachlässigung anderer Interessen und Fortsetzen des Konsums trotz bekannten schädigenden Folgen
Sucht im Alter ist weit verbreitet, jedoch oft unerkannt. Im Alter sind vor allem Alkohol- und Medikamentensucht verbreitet. Pro Senectute Schweiz hat in ihrem Ratgeber Ursachen und Anzeichen von Sucht sowie Tipps zur Vorbeugung von Sucht im Alter zusammengestellt (s. Links: Sucht im Alter).
2. Sucht und ihre Erscheinungsformen
Das Älterwerden bringt verschiedene Veränderungen mit sich, die sich auf eine Suchtthematik auswirken können. Todesfälle im nahen Umfeld, gesundheitliche Schwierigkeiten und Einschränkungen oder veränderter Schlaf können dazu führen, dass ältere Menschen auf Alkohol oder Medikamente zurückgreifen und das Risiko eines problematischen Konsums entsteht (s. Quellen: Alter und Sucht).
Zudem beeinflusst das Älterwerden die Wirkung des Alkohols und begünstigt eine Sucht (s. Quellen: Alter und Sucht). Der Alkohol kann im älteren Körper schlechter abgebaut werden und wird weniger gut vertragen. Hinzu kommt die häufigere Einnahme von Medikamenten, die die Wirkung des Alkohols verstärkt oder verändert. Veränderte Beziehungsmuster und Einsamkeit verstärken die Tendenz, zum Alkohol und/oder zu Medikamenten zu greifen. Nachfolgend sind die wichtigsten Süchte und deren Erscheinungsformen thematisiert.
Alkohol besteht aus Ethanol und wird relativ rasch ins Blut aufgenommen. Die Konzentration im Blut variiert je nach Menge, Geschlecht und Körpergewicht. Mehr als 15% der Frauen und 36% der Männer ab 75 Jahren trinken täglich Alkohol. Zu Beginn des Rentenalters weisen 7.1% der Frauen und Männer sogar einen risikoreichen Alkoholkonsum auf. Dieses chronisch risikoreiche Konsumverhalten nimmt bis 75jährig zu und sinkt dann wieder (s. Quellen: Alkohol: Konsum).
Da im Alter der Wasseranteil im Körper sinkt und die Niere langsamer arbeitet, wirkt der Alkohol stärker. Er führt somit auch schneller zu körperlichen Schädigungen und zur Abhängigkeit. Ein hoher Alkoholkonsum beeinflusst Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Schlaf, Demenz und Depressionen negativ. Neuropsychiatrische Schwierigkeiten wie Stürze, Verwirrtheit, Mangelernährung kommen mit verstärktem Alkoholkonsum vermehrt vor.
Der/Die Hausarzt/Hausärztin kann mit geeigneten Screening-Methoden herausfiltern, ob ein Alkoholkonsum problematisch oder im Bereich der Sucht liegt. Er/Sie kann bei Bedarf zu entsprechenden Fachstellen und Fachpersonen triagieren.
Durch Medikamente können zusätzliche Komplikationen wegen Wechselwirkungen entstehen (s. Quellen: Alkoholkonsum im Alter). Die Wirkung der Medikamente im Körper kann sich verändern.
Da körperliche Beschwerden im Alter zunehmen, nimmt auch die Einnahme von Medikamenten zu. Schlaf- und Beruhigungsmittel werden im Alter überdurchschnittlich konsumiert. Der Übergang zur Medikamentensucht ist schleichend und unbemerkt.
Gerade schlaf- oder schmerztechnisch werden im Alter ab und zu Benzodiazepine und Non-Benzodiazepine verschrieben. Dies sind gut verträgliche und wirksame Medikamente, jedoch bei längerer Einnahme mit hohem Abhängigkeitsrisiko und Toleranzentwicklung verbunden. Wie beim Alkohol auch, können sie im älteren Körper stärkere und länger andauernde Wirkung entfalten. Dadurch besteht vor allem bei grossen Medikamentenmengen die Gefahr einer Überdosierung. Die Einnahme von Benzodiazepinen kann nebst der Abhängigkeit massive Nebenwirkungen auf kognitiver und motorischer Ebene haben (Sturzrisiko, Gedächtnisleistung).
In Deutschland existiert die Priscus-Liste (oder Beers-Liste), zum Teil auch das Bewertungssystem FORTA (Fit for the Aged), die für ältere Menschen ungeeignetere oder geeignetere Medikamente aufführt. Benzodiazepine und analoge Medikamente sollten nur nach sorgfältigem Abwägen aller Vor- und Nachteile und nur kurzfristig verschrieben werden. Die Medikamenteneinnahme und -veränderung sollte immer mit entsprechenden Fachpersonen und dem/der jeweiligen Hausarzt/Hausärztin besprochen werden. Das Programm Zwäg ins Alter von Pro Senectute hilft in Gesundheitsberatungen, den Medikamentenkonsum einzuschätzen und zu besprechen (s. Links: Gesundheitsberatungen). Ein Medikamenten-Check wird auf Wunsch auch in jeder Apotheke vorgenommen.
Der Tabakkonsum ist bei Männern höher als bei Frauen und in unteren Bildungsschichten stärker vertreten. Mit zunehmendem Alter nimmt der Tabakkonsum deutlich ab. Auch die Menge der Zigaretten pro Tag nimmt im Alter überdurchschnittlich ab (s. Quellen: Zigaretten & Co: Konsum).
Chronische Erkrankungen nehmen durch das Rauchen deutlich zu. Mit dem Rauchen wird nahezu jedes Organ im Körper geschädigt. Besonders häufig sind Schädigungen und Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (z. B. Herzinfarkt), Atemwegserkrankungen (z.B. COPD) oder Krebserkrankungen (besonders häufig Lungenkrebs). Rauchen steht zudem im starken Zusammenhang mit einem frühzeitigen Tod, rund 5 - 10 Jahre verlieren Rauchende von ihrer Lebenszeit (s. Quellen: Rauchende verlieren Lebenszeit und Lebensqualität).
Hilfsmittel wie Nikotinkaugummis, Nikotinpflaster, E-Zigaretten etc. versprechen Hilfe bei der Entwöhnung. Starke Raucher sollten allerdings nicht ohne Rücksprache mit dem/der Arzt/Ärztin aufhören zu rauchen und sich professionelle Hilfe suchen. Viele Suchtberatungsstellen bieten Hilfe bei Rauchstopp und zur Entwöhnung an.
Darunter werden in der Schweiz verbotene, psychoaktive Substanzen verstanden wie z.B. Kokain, Heroin oder Partydrogen. Grundsätzlich gibt es keinen Konsum dieser Stoffe ohne Risiko. Ein zusätzliches Risiko besteht im Mischen dieser Substanzen oder mit Alkohol zusammen. Die Nebenwirkungen lassen sich gemischt kaum abschätzen.
Konsument/innen von harten Drogen wurden häufig nicht sehr alt, da das Leben am Rande der Gesellschaft und der körperliche Raubbau zu einem frühen Tod führen. Mit der substitutionsgestützten Behandlung lassen sich verbesserte psychische und physische Grundbedingungen sowie ein risikoarmer Konsum schaffen (s. Kap 3.4).
Mit der Substituierung seit den 80er/90er-Jahren wird eine zunehmende Gruppe von Konsumierenden das Pensionsalter erreichen. Alternde Menschen mit einer Abhängigkeit leiden verfrüht an körperlichen und/oder psychiatrischen Beschwerden und Erkrankungen. Deren Behandlung und Versorgung ist herausfordernd. Der Fachverband Sucht widmet sich mit speziellen Artikeln dieser Problematik (s. Links: Sucht im Alter). Fachpersonen aus dem ambulanten wie stationären Bereich sind gefordert, denn es benötigt eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Infodrog setzt sich mit Wissen und Grundlagen sowie Vernetzung dafür ein (s. Links: Infodrog). Auch Curaviva hat ein entsprechendes Themendossier ausgearbeitet, worauf in der Pflege und Betreuung von substituierten und/oder abhängigen Menschen zu achten ist (s. Links: Sucht im Alter). Jedoch bestehen vor allem im ambulanten Bereich noch grosse Lücken, was die Versorgung von älteren substitutionsgestützten Konsumierenden angeht.
Unter Verhaltenssüchten wird verstanden, dass ein bestimmtes Verhalten zu suchtartigen Symptomen führen kann. Typische Anzeichen dafür sind, dass die Kontrolle über die Tätigkeit oder das Verhalten verloren geht respektive die Tätigkeit/das Verhalten nicht unterbrochen oder beendet werden kann. Die Tätigkeit oder das Verhalten haben im täglichen Leben Vorrang vor allem anderen. Trotz zunehmender Schwierigkeiten und Problemen im Alltag wird das Verhalten oder die Tätigkeit beibehalten und fortgeführt.
Grundsätzlich werden international die Geldspielstörung (Gambling) und die Videospielnutzung (Gaming) unterschieden. Weitere Verhaltenssüchte können Essstörungen, Social-Media-Konsum, übermässiger Pornokonsum oder unkontrolliertes Kaufverhalten sein. Die digitale Welt animiert zunehmend zu Onlinespielen was zum Anstieg von Onlinesüchten führt. In der Schweiz gibt es wenig bis kaum Daten zu Verhaltenssüchten (s. Quellen: Verhaltenssüchte).
Die Nachfrage nach Beratung und Therapie zu Verhaltenssüchten steigt. Betroffene Menschen können sich an Psychologen (s. Stichwort: Gesundheit) oder an Suchtberatungsstellen (s. Kap. 4) wenden.
Der Begriff der Co-Abhängigkeit ist in der Fachwelt umstritten. Die Angehörigen, meist der/die Partner/in, verstärken mit ihrem Verhalten unbewusst oder bewusst eine vorhandene Sucht. Die Sucht wird innerhalb der Beziehung gelebt, beibehalten und gestärkt. Die Mechanismen von Abhängigkeit, Kontrolle und Macht innerhalb der Beziehungsgeflechte werden gestärkt, was ein Ausbrechen aus der Sucht erschwert. Den Angehörigen wird empfohlen, die Sucht als Krankheit zu betrachten und sich von Fachpersonen beraten und betreuen zu lassen.
3. Therapiemöglichkeiten
Grundsätzlich finden Entzug und Therapiemöglichkeiten unabhängig vom Alter statt. Da bei älteren Personen meist schon die physische Gesundheit angegriffen ist, empfiehlt sich unbedingt der Beizug von Fachpersonen für Entzug und Therapie. Die Therapiemöglichkeiten sind vielfältig. Welche Therapievariante zum Einsatz gelangt, hängt von individuellen Faktoren ab. Stationäre und ambulante Angebote lassen sich über den Suchtindex oder über Infodrog finden (s. Links: Angebote und Fachstellen der Suchthilfe finden).
Die bei einem Entzug möglichen Entgiftungssymptome sind unabhängig vom Lebensalter. Jedoch gewinnen sie im Alter an Bedeutung, da häufiger Vorerkrankungen wie z.B. Bluthochdruck oder Diabetes Typ II vorhanden sind. Bereits bestehende Erkrankungen beeinflussen den Entzugsverlauf negativ.
Entzugserscheinungen können Zittern der Extremitäten oder des Körpers, Schwitzen, Herzrasen, erhöhter Blutdruck, Schlafstörungen Desorientierung, Halluzinationen oder Krampfanfälle sein. Einfluss auf die Entzugssymptome haben die Dauer der Sucht, bereits durchgeführte Entzugsbehandlungen und bestehende Erkrankungen (s. Quellen: Entzug).
Entzüge sind ambulant, in einer Tagesklinik oder stationär möglich. Im höheren Alter ist aufgrund von möglichen Komplikationen, unter anderem wegen der erhöhten Gefahr der Übersäuerung im Blut, unbedingt ein Entzug im stationären Rahmen oder unter Aufsicht anzustreben. Je nach Art des Entzugs wird zusätzlich eine medikamentöse Behandlung eingesetzt. Angebote zum Entzug lassen sich auf der Webseite Infodrog im Suchtindex finden (s. Links: Infodrog)
Unabhängig vom Alter benötigt ein langfristiger Ausstieg aus der Sucht den Einbezug aller wichtigen Lebensbereiche. In verschiedenen stationären Suchtfachkliniken lernen die betroffenen Personen, im Alltag wieder Fuss zu fassen. Häufig hilft das abstinenzorientierte Setting vor Ort, die bisherige Lebenssituation zu reflektieren und neue Perspektiven für die Zukunft zu schaffen. Die betroffene Person lernt, sich sozial neu zu integrieren, was teilweise auch einen Wechsel der Freundschaften bedeutet. Im Alter fällt die berufliche Integration weg. Trotzdem ist sie Thema, da damit auch viel Vergesellschaftung wegfällt. In einer stationären Therapie arbeitet die betroffene Person an sich selber mit allen von der Klinik zur Verfügung gestellten Therapieformen, um sich in der gesicherten Umgebung neu zu definieren und aufzubauen. In der Regel bietet eine Suchtfachklinik verschiedene Therapien, die den Reflexions- und Gesundungsprozess anregen, wie zum Beispiel Kunsttherapien, körperbetonte Therapien und Gesprächstherapien. Einen Überblick über stationäre Therapiemöglichkeiten bietet die Seite des GSI (s. Links: Suchtfachkliniken und sozialtherapeutische Einrichtungen).
Ein stationärer Entzug mit Therapie dauert in der Regel zwischen zwei und sechs Wochen. Die Kosten werden von der Krankenkasse getragen.
Bei ambulanten Therapieformen lebt und wohnt die betroffene Person Zuhause und nimmt regelmässig an Therapieangeboten teil. Je nach Abmachung kann dies täglich, mehrmals wöchentlich, wöchentlich oder weniger sein. Die ambulanten Angebote fördern die Gesundheit und soziale Integration sowie die persönliche Entwicklung. An den Gesprächssitzungen werden die Motive der Suchterkrankung aufgearbeitet und Strategien ausgearbeitet, um abstinent zu leben und zu bleiben.
Die Auswahl der geeigneten Therapieform und Therapieart ist individuell und mit der behandelnden Person festzulegen. Die eingesetzten psychotherapeutischen Therapieformen sind vielfältig. Es gibt zum Beispiel Musik-, Kunst- und Bewegungstherapie, Verhaltenstherapie, kognitive Therapie oder systemische Therapie. Die Therapien können als Einzelberatungen, systemische Paar- oder Familienberatungen oder in Gruppenangeboten gebucht werden.
Tagesklinik
Die Tageklinik ist ein begleiteter Übergang vom geschützten Rahmen der stationären Klinik zurück in den Alltag. Dieser Schritt ist und bleibt eine unterschätzte Herausforderung. Mit der Tagesklinik lebt und wohnt die betroffene Person Zuhause und nimmt tagsüber am Behandlungsprogramm teil. Schwerpunkt ist in einer Sucht-Tagesklinik die Stabilisierung der Situation im Alltag. In der Tagesklinik setzt sich die betroffene Person weiterhin mit sich und der Suchterkrankung auseinander. Sie führt in den Therapien ihr Programm weiter und lebt eine Tagesstruktur ähnlich einem Arbeitstag. Die Therapieerkenntnisse können abends und am Wochenende reflektiert und geprobt werden. Je nach Behandlungsplan variiert der Aufenthalt in der Tagesklinik. Die Kosten werden in der Regel über die Krankenkasse abgerechnet.
Nachsorge
Meist bietet eine Suchtfachklinik eine entsprechende Nachbetreuung nach dem stationären Aufenthalt an. Der Aufbau der Nachbetreuung beginnt bereits im stationären Rahmen. Mit der klinikinternen Sozialberatung oder dem/der Therapeut/Therapeutin zusammen werden die Wohnumstände, die Arbeitssituation sowie die Freizeit und finanziellen Möglichkeiten betrachtet. Vor dem Austritt aus der Klinik wird die Nachbehandlung organisiert. Dies kann in Form einer ambulanten Therapie oder einer Tagesklinik sein (s. Kap. 3.3) oder die Vernetzung zu einer anderen Anlaufstelle (s. Kap. 4).
Die substanzgestützte Therapie richtet sich an opioidabhängige Personen. Es bedeutet die Abgabe eines Ersatzproduktes, um das Suchtmittel zu ersetzen. Die Abgabe eines Substitutionsmittels, häufig Methadon, läuft über spezialisierte Institutionen, Spitäler oder Hausärzte/Hausärztinnen oder Apotheken. Eingesetzt wird die Substitutionstherapie zur Verbesserung der physischen und psychischen Gesundheit der Betroffenen, zur Distanzierung zum Milieu und zur Verhinderung von Beschaffungskriminalität. Sie dient zur sozialen Integration der betroffenen Person und als Motivation für weitere Massnahmen (s. Links: Contact) sowie zu einem risikoarmen Konsum ohne Beikonsum (s. substitutionsgestützte Behandlungen bei Opioidabhängigkeit).
Mit dem Ziel eines verantwortungsvollen Konsumumgangs statt Abstinenz können betroffene Personen erreicht werden, die kein Abstinenzziel verfolgen und die sich mit den bisherigen Suchtkampagnen nicht angesprochen fühlen. Da das Trinkziel selbst wählbar ist, ist die Veränderungsmotivation hoch und hilft eventuell einer späteren Abstinenz näher zu kommen.
Beim Kontrollierten Trinken wird ein kontrolliertes Konsumverhalten angestrebt, das der betroffenen Person erlaubt, in gewissen Situationen eine bestimmte Menge Alkohol zu konsumieren. Nicht für alle betroffenen Personen ist das Kontrollierte Trinken geeignet, sind einige nachfolgende Standards nicht erfüllt, wird die Abstinenz angestrebt:
- Die betroffene Person nimmt Medikamente ein, die sich mit Alkohol schlecht vertragen
- Die betroffene Person hat abstinenzorientierte Auflagen (z. B. Strassenverkehr)
- Die betroffene Person hat schwere Begleiterkrankungen
- Frauen mit Schwangerschaftswunsch oder in der Schwangerschaft
- Unfähigkeit der betroffenen Person, realistische Ziele festzulegen, zu erreichen und einzuhalten
Akzeptiert die betroffene Person jedoch nur das Ziel Kontrolliertes Trinken, werden diese Ausschlusskriterien flexibel gehandhabt. Das Kontrollierte Trinken beinhaltet zuerst eine Dokumentation des eigenen Trinkverhaltens, die die betroffene Person über einen längeren Zeitraum reflektiert und festhält. Anhand eines 10-Schritte-Programms wird das Kontrollierte Trinken mit ausgebildeten Trainern/Trainerinnen erlernt (s. Links: kT-TrainerInnen in der Schweiz). Die betroffene Person arbeitet einen Trinkplan mit Trinkregeln aus. Es werden in der Regel die Rahmenbedingungen wie Ort und Zeit, Anzahl alkoholfreie Tage oder die Konsumtage, die maximale Konsummenge pro Konsumtag und pro Woche festgelegt (s. Quellen: Kontrolliertes Trinken).
Ein anderes Projekt ist das Angebot des Trinkens unter Kontrolle. In so genannten Trinkräumen wird der betroffenen Person ein kostenloser, geschützter, mit Fachpersonen begleiteter Raum und Rahmen zum Konsum von Alkohol geboten. In diesen Räumen gilt Gewalt- und Drogenfreiheit. Ein solcher geschützter Rahmen bietet z. B. das "Alk-Stübli" La Gare von Contact in Bern. Dort können sich alkoholabhängige Personen aufhalten, ihre Freizeit gestalten, die mitgebrachten Alkoholika konsumieren und sie erhalten bei Bedarf niederschwellige psychosoziale Begleitung und Informationen (s. Links: Contact).
Anlaufstellen und Konsumräume zum Konsum von illegalen Drogen gibt es in Bern, Biel und Thun (SPUT). In diesen geschützten Räumen können betroffene Personen kostenlos die mitgebrachten Drogen wie Heroin oder Kokain in Ruhe konsumieren. Es sind Fachpersonen vor Ort für niederschwellige psychosoziale Begleitung und zur Informationsabgabe. Ebenfalls gibt es vor Ort sterile Inhalations- oder Injektionssets; Spritzenautomaten gibt es zusätzlich in Burgdorf und Langenthal (s. Links: Contact).
4. Beratungsstellen bei Suchterkrankungen
Die Berner Gesundheit ist im Auftrag des Kantons Bern kantonal organisiert mit vier Regionalzentren und insgesamt 15 Beratungsstellen im ganzen Kanton Bern. Die über 50 Fachpersonen der Berner Gesundheit sind aus unterschiedlichen Berufsgruppen, so sind Therapeuten/innen, Psychologen/Psychologinnen und Sozialarbeitende mit Zusatzausbildungen vertreten. Beraten werden von Sucht betroffene Personen, Angehörige, Personen aus dem Umfeld, Betriebe und Institutionen.
Es existiert eine kostenlose Telefonnummer 0800 070 070 zur Kontaktaufnahme oder telefonischen Beratung. Ebenso bietet die Webseite eine Chatfunktion, Online-Beratungen und kurze Filme zu Sucht sowie Tests zur Einschätzung des eigenen Konsumverhaltens. Der Standort der Beratung ist frei wählbar. Die Beratungen sind kostenlos und umfassen je nach Situation Einzelgespräche, Paarberatungen oder Gruppenprogramme. Die Berner Gesundheit deckt sämtliche Suchtbereiche ab. Dies kann eine Substanzabhängigkeit wie Alkohol, Tabak, Medikamente, Cannabis oder Drogen betreffen, bei der die Berner Gesundheit sowohl Beratung bietet wie auch den ambulanten Entzug begleitet. Beratungen finden ebenfalls zu Verhaltenssüchten wie Glücksspiel, Kaufsucht, Sexsucht, Digitale Medien oder Essstörungen statt. Die Berner Gesundheit unterstützt mit Therapiegesprächen, bei Spielsperren und allfälligen stationären Massnahmen.
Für ältere Menschen sind zum Teil Fachpersonen mit zusätzlichen Ausbildungen zuständig. Die Berner Gesundheit ist auch Ansprechperson für Institutionen im Umgang mit Suchtmittelkonsumierenden älteren Menschen (s. Quellen: Berner Gesundheit). Die Berner Gesundheit bietet ebenfalls ein strukturiertes Programm zum Kontrollierten Trinken an (s. Kap. 3.5).
Das Blaue Kreuz hat im Kanton Bern einen Leistungsauftrag und ist für Menschen mit Wohnsitz im Kanton Bern kostenlos. In Thun, Bern, Biel und Langenthal sowie nach telefonischer Absprache im Saanenland und im bernischen Jura finden vor Ort Beratungen statt. Weiter gibt es die Möglichkeit von Online-Beratungen oder Kurzberatungen via Telefon. Die Fachpersonen sind ausgebildet in Sozialarbeit, Psychologie oder Therapie und Pädagogik. Beraten werden Betroffene und ihre Angehörigen zur Suchtthematik, zu behördlichen Massnahmen wie Ausweisentzug oder fürsorgerische Unterbringung, auch Arbeitgeber sowie Institutionen dürfen sich melden.
Um auf das Beratungsangebot für ältere Menschen und ihr Umfeld hinzuweisen, gibt es einen speziellen Flyer «Alkohol im Alter». Die Beratungen sind gedacht zur Einschätzung der Situation, Beratung zum Umgang mit dem Suchtmittel oder dem betroffenen Menschen und allenfalls weiteren zu treffenden Massnahmen. Auch das blaue Kreuz bietet ein spezielles Programm zum Kontrollierten Trinken an (s. Kap. 3.5).
Nebst den Beratungen gibt es geleitete Gruppenangebote und Selbsthilfegruppen sowie einen Selbsttest und Mitbetroffenheitstest, der online ausgefüllt werden kann.
Als spezialisierte Suchtfachkliniken mit stationärem Aufenthalt gelten die Klinik Südhang in Kirchlindach, die Klinik Selhofen in Burgdorf sowie die Klinik Wysshölzli in Herzogenbuchsee. Ein Entzug kann auch in einem Spital oder in einer psychiatrischen Klinik erfolgen. Weitere Informationen dazu liefern die entsprechenden Homepages. Der Kanton Bern bietet auf seiner Webseite Informationen zu Suchtfachkliniken, zu ambulanten Beratungs- und Therapiestellen sowie die Anlaufstellen. Auch ist das Suchthilfekonzept des Kantons Bern inkl. Strategie und Massnahme zugänglich.
Die Klinik Südhang ist vor allem auf Alkohol spezialisiert, aber auch andere Suchtsubstanzen können entzogen werden. Sie bietet nebst der stationären Behandlung auch eine Tagesklinik in Kirchlindach und Ambulatorien in Biel, Bern und Burgdorf an. In der Klinik Selhofen umfasst das Behandlungsangebot den Entzug aller psychoaktiven Substanzen, die Stabilisierung und die Integration im stationären Rahmen. Oder es findet eine Suchtbehandlung in einem der Ambulatorien in Bern, Biel und Burgdorf statt. Als einzige Fachklinik ist die Klinik Wysshölzli genderspezifisch nur für Frauen mit Abhängigkeitserkrankungen da. Die Klinik ist spezialisiert auf Essstörungen, behandelt aber auch andere Suchterkrankungen wie Alkohol, Medikamente, Cannabis, etc. Die Klinik Wysshölzli befindet sich in Herzogenbuchsee, wo stationäre Aufenthalte und ambulante Therapie als Vor- oder Nachbetreuung angeboten werden.
Es gibt verschiedene Institutionen im Kanton Bern, die Therapie- und Beratungsmöglichkeiten bei einer Suchterkrankung anbieten. Im Bereich der Drogensucht sind dies im Kanton Bern vorwiegend das Contact (s. Links: Contact) und Biwak (s. Links: Biwak).
Nebst den ambulanten Therapien bieten sich je nach Institution, Angebot und Region auch Wohnmöglichkeiten an. Bei der Schweizerischen Koordinations- und Fachstelle Sucht lassen sich die vor Ort möglichen ambulanten sowie stationären Suchtfachstellen ermitteln (s. Links: Angebote und Fachstellen der Suchthilfe finden).
Quellen und Links
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- Alkohol: Konsum, Sucht Schweiz
- Alkohol im Alter, BAG
- Alkoholkonsum im Alter, Alter und Sucht
- Alkohol, Alter und Sucht
- Alter und Sucht, Sucht Schweiz
- Entzug, Alter und Sucht
- Kontrolliertes Trinken, Praxis Suchtmedizin Schweiz
- Rauchende verlieren Lebenszeit und Lebensqualität, BAG
- Risiken von Medikamenten im Alter, Alter und Sucht
- Substitutionsgestützte Behandlungen bei Opioidabhängigkeit, BAG
- Zigaretten & Co: Konsum, Sucht Schweiz
- Verhaltenssüchte, BAG
- Zum Begriff Sucht, BAG
- Alter und Sucht
- Angebote und Fachstellen der Suchthilfe finden, Infodrog, Schweizerische Koordinations- und Fachstelle Sucht
- Berner Gesundheit
- Blaues Kreuz Bern-Solothurn-Freiburg
- Behandlungszentrum für substanzgestützte Therapie Biwak
- Contact
- Gesundheitsberatungen, Zwäg ins Alter, Pro Senectute Kanton Bern
- Infodrog, Schweizerische Koordinations- und Fachstelle Sucht
- Klinik Selhofen
- Klinik Wysshölzli
- kT-TrainerInnen in der Schweiz, Kontrolliertes Trinken.de
- La Gare, Contact Anlaufstelle, Contact
- Suchtfachkliniken und sozialtherapeutische Einrichtungen (stationäre Suchtmedizin und Suchthilfe), Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI)
- Sucht im Alter, Curaviva
- Sucht im Alter, Fachverband Sucht
- Sucht im Alter, Pro Senectute Schweiz
- Südhang
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