Individualverkehr für Personen mit eingeschränkter Mobilität (PEM)
30.03.2020 / sn
Zusammenfassung
In diesem Stichwort werden die Angebote für die Verbesserung resp. den Erhalt der Mobilität von Personen mit eingeschränkter Mobilität (PEM) im Individualverkehr sowie privatwirtschaftlichen nichtöffentlichen Verkehr erläutert. Zudem wird auf die finanziellen Entlastungs- und Unterstützungsmöglichkeiten diesbezüglich hingewiesen. Finanzielle Entlastung sowie Unterstützungshilfen für Personen mit eingeschränkter Mobilität im öffentlichen Verkehr werden in einem separaten Stichwort aufgeführt (s. Stichwort: öffentlicher Verkehr für Personen mit eingeschränkter Mobilität). Auch für die Finanzierung der Freizeitfahrten besteht ein eigenes Stichwort (s. Stichwort: Stiftung Behindertentransport).
1. Fahrdienste
1.1.1 Rotkreuz-Fahrdienst
Der Rotkreuz-Fahrdienst steht älteren, beeinträchtigten oder kranken Menschen zur Verfügung, die nicht in der Lage sind, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen und für die im Verwandten- oder Bekanntenkreis keine Transportmöglichkeit besteht. Freiwillige Rotkreuzfahrer/innen stellen für die Fahrten ihre Freizeit und ihr Privatfahrzeug zur Verfügung. Sie begleiten die Benützer/innen zum vereinbarten Termin und bringen sie wieder nach Hause. Auf Wunsch helfen sie beim Ein- und Aussteigen oder begleiten die Fahrgäste bis zur Haustüre. Beim Rotkreuz-Fahrdienst können die Personen mehr Unterstützung erhalten, als bei Taxidiensten, z.B. Begleitung bis an die Wohnungstüre.
Der Rotkreuzfahrdienst kann für medizinische und für soziokulturelle Fahrten benutzt werden:
- einmalige oder regelmässige Fahrten zum Arzt oder in eine Therapie
- bei Antreten oder Beenden eines Spital- oder Kuraufenthalts
- bei gelegentlichem Besuch einer sozio-kulturelle Veranstaltung
Die Tarife sind günstiger, als diejenigen der Taxis. Die Kosten für den Rotkreuzdienst variieren jedoch pro Region resp. Gemeinde (Kilometertarif, Grundgebühr). Bei Wohnsitz in einer Gemeinde, welche den Rotkreuz-Fahrdienst unterstützen sind die Tarife günstiger (s. Quellen: Rotkreuz-Fahrdienste). Auch variieren die Kosten nach Fahrzeug (PW oder Rollstuhlbus). Die Kosten werden monatlich in Rechnung gestellt, es werden keine Barzahlungen angenommen.
Auch die Telefonnummern, über welche die Fahrten bestellt werden können, sind je nach Region unterschiedlich (s. Quellen: Rotkreuz-Fahrdienst). Eine Voranmeldung ist min. einen Tag im Voraus nötig. Sie kann per Telefon oder per Mail erfolgen. Änderungen oder Annullationen sind min. 24 Stunden vor der Fahrt mitzuteilen, ansonsten ist eine Annullationsgebühr zu entrichten.
1.1.2 Weitere Anbieter
In jeder Region gibt es unterschiedliche Fahrdienste. Diese sind, nebst gewöhnlichen Taxis, auf der Liste der Transportunternehmen der Stiftung Behindertentransport (BTB) aufgeführt (s. Quellen: Transportdienste BTB).
Bei der Finanzierung der Transporte wird zwischen medizinische Fahrten und Freizeitfahrten unterschieden.
1.2.1 Medizinische Fahrten
Medizinische Fahrten sind Fahrten zum Arzt, in die Therapie sowie bei Ein- und Austritt in das resp. aus dem Spital. Bei medizinischen Fahrten übernimmt die Krankenkassengrundversicherung nach KVG nach Abzug des Selbstbehalts 50% der Kosten bis max. Fr. 500.- im Kalenderjahr. Je nach Zusatzversicherung (VVG) können weitere Kosten durch die Krankenkasse übernommen werden. Die Krankenkassen verlangen i.d.R. eine ärztliche Bestätigung, dass die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht möglich oder zumutbar ist sowie eine kurze Begründung, weshalb.
Über die Ergänzungsleistungen (EL) können die Kosten bis zum entsprechenden Höchstbetrag abgerechnet werden, welche nicht von der Krankenversicherung (nach KVG und VVG) übernommen werden (s. Stichwort: EL-Krankheits- und Behinderungskosten ab 2021).
Können die medizinischen Fahrten nicht mit den Beiträgen der Krankenversicherung und der Ergänzungsleistung finanziert werden, können, gemäss Interner Arbeitshilfe zum Reglement Individuelle Finanzhilfe, nach Abzug der Leistungen durch Dritte IF-Gesuche für Krankheits-/Behinderungskosten gestellt werden.
1.2.2 Freizeitfahrten
Unter Freizeitfahrten werden Fahrten zu Coiffeur, Podologin, Freunden, Verwandten, (kulturellen) Veranstaltungen, zum Einkaufen etc. verstanden. Menschen, welche aufgrund von chronischen gesundheitlichen Einschränkungen keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen können, können bei der Stiftung Behindertentransport einen Ausweis für vergünstigte Fahrten beantragen (s. Stichwort: Stiftung Behindertentransport).
2. Nutzung privater Motorfahrzeuge
Um Personen mit gesundheitsbedingten Einschränkungen die Mobilität zu erleichtern, gibt es im Kanton Bern finanzielle Entlastung durch Befreiung von Motorfahrzeugsteuern sowie Erleichterungen beim Parkieren.
Für im Kanton Bern eingelöste Motorfahrzeuge ist eine Steuer zu entrichten. Die Steuererträge werden unter anderem für Bau, Betrieb und Unterhalt der Kantonsstrassen eingesetzt. Personen, welche aufgrund einer Behinderung auf ein Motorfahrzeug angewiesen sind oder mit ihnen im gleichen Haushalt lebende Personen sind von der Steuerpflicht ausgenommen (s. Quellen: Steuerbefreiung bei Invalidität).
Für die Befreiung der Motorfahrzeugsteuern müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein (s. Merkblätter: Motorfahrzeugsteuernbefreiungen bei Invalidität):
- die normale Fortbewegung ohne Hilfsmittel oder Hilfsperson ist praktisch verunmöglicht
- die Person ist aufgrund der Art ihrer Behinderung zur Teilnahme am täglichen gesellschaftlichen Lebe und zur Pflege regelmässiger sozialer Kontakte auf die Verwendung eines Motorahrzeugs zwingend angewiesen
Damit eine Person als im gleichen Haushalt lebend gilt, muss sie während min. 180 Tagen im Jahr ein gemeinsamer Haushalt bestehen. Dieser besteht bei:
- einer gemeinsamen Wohnung
- einer anderen Wohnung im gleichen Gebäude
- einer Wohnung in einem anderen Gebäude auf demselben oder einem benachbarten Grundstück
Die Befreiung gilt frühestens ab dem Steuerjahr, in welchem sie beantragt worden ist und regelmässig von Amtes wegen überprüft. Veränderungen müssen umgehend gemeldet werden.
Das Gesuch ist schriftlich mit den dafür nötigen Unterlagen (s. Merkblätter: Motorfahrzeugsteuernbefreiungen bei Invalidität und Formulare: ärztliche Beurteilung für die Motorfahrzeugsteuerbefreiung bei Invalidität) beim Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern einzureichen. Bei Personen, welche eine Hilflosenentschädigung (HE) beziehen, ersetzt die HE-Verfügung die ärztliche Beurteilung (s. auch Stichwort: Hilflosenentschädigung).
Unter gewissen Bedingungen erhalten invalide Personen nach dem Motorfahrzeug-Kauf eine Rückerstattung für bezahlte Einfuhrzölle. Die Rückerstattung erfolgt durch die zuständige Zollkreisdirektion (s. Quellen: Steuerbefreiung bei Invalidität).
Die Parkkarte für gehbehinderte Personen (oder eine Organisation) ist kostenlos und nicht übertragbar. Sie gilt nur für Selbstfahrten gehbehinderter Personen oder während der Dauer des Transports und der Begleitung derselben (s. Quellen: Informationen zur Parkkarte für gehbehinderte Personen). Eine erhebliche Gehbehinderung äussert sich darin, dass der gehbehinderten Person dauernd oder vorübergehend während mindestens 6 Monaten eine Fortbewegung zu Fuss nur bis ca. 200 m, bzw. mit besonderen Hilfsmitteln oder mit Hilfe einer Begleitperson möglich ist. Detailliertere Informationen dazu s. Merkblätter: Parkerleichterungen für Gehbehinderte Personen.
Sie berechtigt, Fahrzeuge auf Parkplätzen mit Parkzeitbeschränkung zeitlich unbeschränkt zu parkieren. Sofern der übrige Verkehr weder behindert noch gefährdet wird, erlaubt die Parkkarte zudem das Parkieren während max. 3 Std. an Stellen, die mit einem Parkverbot signa- lisiert oder markiert sind und während 2 Std. in Begegnungszonen ausserhalb der durch entsprechende Signale oder Markierungen als Parkierungsflächen (Parkfelder) gekennzeichneten Stellen und in Fussgängerzonen, falls ausnahmsweise das Befahren der Zone erlaubt ist (s. Merkblätter: Parkerleichterungen für Gehbehinderte Personen).
Das erste Gesuch wird mit dem Formular Gesuch um Abgabe einer Parkkarte (s. Quellen: Informationen zur Parkkarte für gehbehinderte Personen) und einem ärztlichen Bericht (s. Formulare: Ärztlicher Bericht zur Mobilitätseinschränkung) und den weiteren verlangten Unterlagen beim Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt eingereicht werden.
Die Parkkarte muss mit dem Gesuch um Erneuerung der Parkkarte (s. Quellen: Informationen zur Parkkarte für gehbehinderte Personen) jährlich einen Monat vor Ablauf der Gültigkeit neu beantragt werden.
Auch Kosten für Transporte mit privaten Fahrzeugen (z.B. Familienangehörige) aufgrund medizinischer Zwecke können über die EL abgegolten werden (s. Stichwort: EL-Krankheits- und Behinderungskosten ab 2021).
Für Autounterhaltkosten wie Motorfahrzeugsteuern, Motorfahrzeugversicherungen und Repara-turkosten können gemäss Interner Arbeitshilfe zum Reglement Individuelle Finanzhilfe (RIF) IF-Gesuche gestellt werden (s. Merkblätter: Interne Arbeitshilfe). Dabei spielt es keine Rolle, ob das Auto für medizinische oder Freizeitfahrten benutzt wird.
Der Eurokey ermöglicht einen exklusiven Zugang zu Toiletten, Aufzügen, Hebebühnen, Umkleideräumen, Spezialanlagen im öffentlichen Raum für Menschen mit Beeinträchtigungen (s. Stichwort: öffentliche Verkehrsmittel für Personen mit eingeschränkter Mobilität).
Quellen und Links
Interne Arbeitshilfe für Pro Senectute Kanton Bern zum Reglement Individuelle Finanzhilfe (RIF)
keine
keine