EL-Allgemein ab 2021

 

11.04.2018 / ebe

Letzte Anpassung: 28.03.2024 / sni

  • Gelöscht: Kap. 10 Fachspezifische Rechtsauskünfte der Ausgleichskasse

Zusammenfassung

Gemäss Art. 112a Abs. 1 BV richten Bund und Kantone Ergänzungsleistungen an Personen aus, deren Existenzbedarf durch die Leistungen der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung nicht gedeckt ist. Ergänzungsleistungen zur AHV und IV helfen also dort, wo die Renten und das Einkommen nicht die minimalen Lebenskosten decken. Auf sie besteht ein rechtlicher Anspruch. Zusammen mit der AHV und IV gehören die Ergänzungsleistungen (EL) zum sozialen Fundament des Staates. In diesem Stichwort wird auf die Trägerschaft und Finanzierung der Ergänzungsleistungen sowie auf die Zuständigkeit der Ausrichtung eingegangen. Weiter ist ausgeführt, wer für Ergänzungsleistungen bezugsberechtigt ist, wann ein Anspruch beginnt und wo er endet, welche Rechtsmittel bestehen und was diesbezüglich bei den Fristen zu beachten ist. Erwähnt wird auch die Rückerstattungspflicht von rechtmässig bezogenen EL sowie Auskunftspflicht, welche AHV-Zweigstellen gegenüber der Pro Senectute haben.

1. Allgemein

Der Bund gibt auf dem Weg der Gesetzgebung verbindlich und detailliert vor, wie die Ergänzungsleistungen zu berechnen sind. Die Kantone sind bei der Organisation des Vollzuges weitgehend frei. Die Kantone dürfen gemäss Art. 21 Abs. 2 ELG aber nicht die Sozialhilfebehörden mit der Ausrichtung der EL betrauen. In praktisch allen Kantonen richtet die kantonale AHV-Ausgleichskasse die Ergänzungsleistungen aus (s. Literatur: Die Sozialversicherungen in der Schweiz). Finanziert werden die Ergänzungsleistungen vollständig aus Steuereinnahmen. Der Bund beteiligt sich mit einem Anteil von 5/8 an die jährliche EL, der Kanton und die Gemeinden mit 3/8. Die Krankheitskosten werden vollumfänglich von den Kantonen/Gemeinden finanziert (Art. 13 ELG).

Grundsätzlich richtet der Kanton Ergänzungsleistungen aus, in dem die anspruchsberechtigte Person ihren zivilrechtlichen Wohnsitz hat. Bei einem Aufenthalt in einem Heim, Spital oder einer anderen Institution bleibt der Kanton zuständig, in dem die versicherte Person vorher Wohnsitz hatte (Art. 21 ELG ist seit 01.01.2008 in Kraft). Eine Ausnahme gilt für Personen unter umfassender Beistandschaft (WEL Rz 1330.02).

Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben Bezügerinnen und Bezüger von AHV- oder IV-Leistungen, wenn deren anerkannten Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen. Die Ergänzungsleistungen entsprechen dem Differenzbetrag zwischen dem anrechenbaren Einkommen und den anrechenbaren Ausgaben (Art. 9 Abs. 1 ELG).

Der Anspruch kann auch durch die Ehegattin/den Ehegatten, die Eltern oder Grosseltern, die Kinder oder Enkel oder die Geschwister der versicherten Person geltend gemacht werden (WEL Rz 1120.02). Die Anmeldeberechtigung berechtigt auch zur Einsprache- und Beschwerdeerhebung (WEL Rz 1120.06), ohne dass dafür eine Vollmacht notwendig ist.

2. Bezugsberechtigte

Ergänzungsleistungen stehen Personen zu, die einen eigenen Anspruch auf eine Rente der AHV oder generell einen Anspruch auf eine Rente der IV, eine Hilflosenentschädigung der IV und das 18. Altersjahr vollendet haben oder während mindestens sechs Monaten ein Taggeld der IV erhalten. Getrennte/geschiedene Frauen, welchen noch eine Zusatzrente zusteht, haben grundsätzlich einen eigenen EL-Anspruch. Kinder können einen von den Eltern abgeleiteten EL-Anspruch haben (s. Links: Handbuch BKSE).

(s. Links: Handbuch BKSE, Ergänzungsleistungen und Art. 4 Abs. 1 ELG)

Ergänzungsleistungen stehen unter bestimmten Voraussetzungen auch Personen zu, die keinen Anspruch auf eine Rente der AHV oder IV haben, weil sie die Mindestbeitragsdauer (von einem Jahr gemäss AHVG bzw. drei Jahren nach IVG) nicht erfüllen: Sie haben dennoch einen eigenen EL-Anspruch, wenn sie neben den allgemeinen Voraussetzungen - Aufenthalt und Wohnsitz, Nationalität und Karenzfrist, wirtschaftliche Voraussetzung - folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • das Referenzalter ist erreicht (für ausländische Staatsangehörige vgl. aber die Einschränkung gemäss Art. 5 Abs. 4 ELG) und
  • sie sind verwitwet oder verwaist und die verstorbene Person hätte die Mindestbeitragsdauer der AHV (ein Jahr) erfüllt oder
  • sie sind gemäss der kantonalen IV-Stelle invalid und hätten Anspruch auf eine Rente der IV, wenn die Mindestbeitragsdauer der IV (drei Jahre) erfüllt wäre
  • und sie haben in der Schweiz Wohnsitz und halten sich hier tatsächlich auf.

Schweizer Bürgerinnen und Bürger, welche den Wohnsitz für eine kürzere oder längere Zeit ins Ausland verlegt hatten und danach wieder in die Schweiz zurückkehren, können Ergänzungsleistungen beziehen, wenn sie den Wohnsitz wieder in die Schweiz verlegen. Dies ohne, dass eine Karenzfrist erfüllt sein müsste. Auch für sie gelten die Voraussetzungen nach Art. 4 ELG. Eine ausländische Rente kann keinen EL-Anspruch begründen (vgl. BGE 141 V369).  Für eine EL ohne Anspruch auf eine AHV-Rente müssen neben den allgemeinen Voraussetzungen folgende Bedingungen erfüllt sein (WEL Rz 2230.01):

  • das Referenzalter erreicht haben oder
  • verwitwet oder verwaist sind und einen Anspruch auf eine Witwen-, Witwer- oder Waisenrente der AHV hätten, wenn die verstorbene Person die Mindestbeitragsdauer erfüllt hätte

Auslandschweizerinnen und -schweizer, welche direkt aus dem Ausland in ein Heim in der Schweiz ziehen, müssen ebenfalls in der Schweiz wieder einen Wohnsitz begründen (WEL Rz 1310.04), um einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen geltend machen zu können. In diesem Fall muss mit der Gemeinde des Heimstandorts eine Anmeldung zur Wohnsitznahme besprochen werden. In Abweichung zu WEL Rz 1310.02 begründet dann der Heimstandort und somit der Aufenthaltsort die Zuständigkeit (mündliche Abklärungen mit Frau Ineichen, AKB, vom 16.08.2018).

Bei längerem Aufenthalt im Ausland kann die EL je nach Grund des Auslandaufenthalts eingestellt werden.

2.5.1 Aufenthalt mit wichtigem Grund (WEL 2.3.4)

Bei einem Auslandaufenthalt aus einem wichtigen Grund wird die EL während maximal einem Jahr weiter ausgerichtet. Wenn der Auslandaufenthalt länger als zwölf Monate dauert, wird die Auszahlung der EL ab dem darauffolgenden Kalendermonat eingestellt. Bei mehreren Auslandaufenthalten aus demselben wichtigen Grund, werden diese tageweise addiert. Die Tage der Ein- und Ausreise werden nicht zum Auslandaufenthalt dazugezählt. Die EL wird ab dem Kalendermonat wieder ausgerichtet, in dem die Person in die Schweiz zurückkehrt. Bei ausländischen Staatsangehörigen mit Karenzfrist, beginnt die Karenzfrist wieder neu zu laufen (s. Stichwort: EL-ausländische Staatsangehörige).

Als wichtige Gründe gelten abschliessend (WEL Rz 2340.03):

  • eine Ausbildung, wenn gewisse Kriterien erfüllt werden
  • eine Krankheit oder ein Unfall der Bezügerin/des Bezügers oder einer angehörigen Person (Kriterien s. WEL Rz 2340.03)
  • höhere Gewalt (Naturkatastrophen, Pandemien, kriegerische Ereignisse, etc.)

2.5.2 Aufenthalt ohne wichtigen Grund (WEL 2.3.3)

Wenn sich eine Person – auch über den Jahreswechsel – mehr als drei Monate (90 Tage) am Stück oder in einem Kalenderjahr ohne wichtigen Grund im Ausland aufhält, gilt der gewöhnliche Aufenthalt in der Schweiz als unterbrochen (WEL Rz 2330.01) und wird die EL rückwirkend auf den Beginn des Monats eingestellt, in welchem die Person den 91. Tag im Ausland verbracht hat (WEL Rz 2330.02 und Rz 2330.04). Die EL wird ab dem Kalendermonat wieder ausgerichtet, in dem die betreffende Person in die Schweiz zurückkehrt (WEL Rz 2330.05). Wenn die Ausgleichskasse von der Rückkehr keine Kenntnis hat, ist ihr diese umgehend in schriftlicher Form zu melden.

Bei mehreren Auslandaufenthalten im selben Kalenderjahr werden die Auslandaufenthalte tageweise zusammengezählt. Bei einem Auslandaufenthalt über den Jahreswechsel werden für die Prüfung, ob im selben Kalenderjahr mehr als 90 Tage im Ausland verbracht wurden, nur die Tage des jeweiligen Kalenderjahres mitgerechnet. Die Tage der Ein- und Ausreise gelten nicht als Auslandaufenthalt (WEL Rz 2330).

3. Beginn und Ende des Anspruchs  (Art. 2 ELG, WEL 2.1.2 und 6.4)

Der Anspruch auf Ergänzungsleistungen besteht ab Beginn des Monats, in dem die Anmeldung eingereicht worden ist, sofern sämtliche gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sind. Auch das Einreichen eines unvollständigen Gesuchs bei der zuständigen AHV-Zweigstelle genügt, um die Frist zu wahren, falls die fehlenden Unterlagen innerhalb von 3 Monaten nachgereicht werden. Für die Rückerstattung der Krankheitskosten gelten andere Fristen (s. Stichwort: EL-Krankheits- und Behinderungskosten - Einreichung/Frist).

Mit der EL-Reform 2021 wurde eine Eintritts- resp. Vermögensschwelle eingeführt (s. Stichwort: EL-Vermögen ab 2021, Kap. 1.11), wonach erst bei unterschreiten eines gewissen Gesamtvermögens ein Anspruch auf EL entsteht, auch wenn ein Ausgabeüberschuss besteht.

Besondere Regelungen für den Beginn des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen gelten im Zusammenhang mit der Zusprache einer AHV- oder IV-Rente, wenn innert sechs Monaten seit Zustellung der Rentenverfügung eine EL-Anmeldung eingereicht wird (s. WEL Rz 2122.01).

Zieht eine EL-anspruchsberechtigte Person innerhalb des Wohnkantons um, muss die versicherte Person bei der neuen Wohnsitzgemeinde keine neue EL-Anmeldung einreichen. Einzureichen sind jedoch die durch den Umzug veränderten Belege (z.B. neuer Mietvertrag, allenfalls Angaben über eine veränderte Anzahl Personen im Haushalt, Krankenkassenpolice bei veränderter Prämienregion).

Verlegt eine EL-anspruchsberechtigte Person ihren Wohnsitz in einen anderen Kanton, gilt die Meldung der EL-Stelle des Wegzugskantons an die EL-Stelle des Zuzugskantons als schriftliche Anmeldung (WEL Rz 2130.01). Die EL-Stelle des Wegzugkantons ist verpflichtet der EL-Stelle des Zuzugskantons eine Mitteilung mit Kopie an die versicherte Person zuzustellen (WEL Rz 6410.01). Die versicherte Person muss die Informationen und Belege, die zur Berechnung der EL im neuen Kanton erforderlich sind, innerhalb von 3 Monaten seit der Aufforderung durch die EL-Stelle des Zuzugskantons einreichen, damit die EL lückenlos ausgerichtet werden kann (WEL Rz 2130.03). Auch wenn die EL-Stellen gegenseitige Meldepflicht haben, empfiehlt es sich, den EL-Beziehenden zu raten, sich sowohl bei der Gemeindeverwaltung (Einwohnerkontrolle) als auch bei der AHV-Zweigstelle der Wegzugsgemeinde, als auch bei beiden Stellen der Zuzugsgemeinde ab- resp. anzumelden.

Verstirbt die EL-anspruchsberechtigte Person, wird die Ergänzungsleistung noch für den Monat des Ereignisses ausbezahlt. Ab 2021 wird bei Personen, welche sich in einer Institution aufhalten, nur noch die Tagestaxe für jene Tage berücksichtigt, die von der Institution auch in Rechnung gestellt werden (Rz 3320.04 WEL). Da die EL jeweils zu Beginn des Monats ausbezahlt werden, ist vermehrt mit Rückforderungen des EL-Betrags für die Heimtaxe zu rechnen.

Es werden keine Todesfallkosten über EL finanziert (Rz. 4720.03 WEL). Die Organisation und Finanzierung der Bestattung/Anordnungen im Todesfall ist Aufgabe und Pflicht der Erben resp. Erbengemeinschaft (s. Stichwort: Todesfall).

Rückerstattung Ergänzungsleistungen s. Kap. 8.

Verstirbt bei einem EL-anspruchsberechtigten Ehepaar ein Partner, werden die Ergänzungsleistungen noch für den Monat des Ereignisses ausbezahlt. Dann werden sie jedoch eingestellt. Der überlebende Ehegatte wird aufgefordert, sämtliche Belege zu den neuen Einkommens- und Vermögensverhältnissen einzureichen. Hatte der überlebende Ehegatte bereits vorher ebenfalls einen eigenen Anspruch auf EL, weil er ebenfalls bereits eine AHV- oder IV-Rente bezog, ist rechtlich keine neue Anmeldung erforderlich. Hat der überlebende Ehegatte jedoch selber noch keinen eigenen EL-Anspruch, gelten die Grundsätze gemäss Kap. 3.2.

4. Meldepflicht

Die anspruchsberechtigte Person oder deren Vertretungspersonen sind verpflichtet, der Ausgleichskasse zu jeder Änderung in den persönlichen Verhältnissen und jeder ins Gewicht fallenden Änderung der vom Gesetz anerkannten Ausgaben und anrechenbaren Einnahmen und des Vermögens unverzüglich Meldung zu erstatten. In jeder EL-Verfügung wird unter wichtige Informationen detailliert darauf hingewiesen. Dies gilt insbesondere bei Aufnahme oder Aufgabe einer Erwerbstätigkeit, Erhöhung einer Leistung des gegenwärtigen oder früheren Arbeitgebers, einer Pensionskasse, Anfall einer Erbschaft, Verkauf einer Liegenschaft, Eintritt in oder Austritt aus einem Heim oder Spital. Die EL-beziehende Person kann sich bei Unterlassung einer solchen Meldung nicht auf den guten Glauben berufen (WEL 6.1.1). Bei leichtem Verschulden ist der gute Glaube jedoch möglich (vgl. Kommentar Müller Rz 32 und Rz 33 zu Art. 25 ASTG und s. Kap. 6.2)

5. Rückforderung unrechtmässig bezogener EL

Unrechtmässig bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt (WEL Rz 4653.01). Es besteht die Möglichkeit, innert 30 Tagen seit der Zustellung der Rückforderungsverfügung ein Erlassgesuch einzureichen (s. Kap. 6.2). Bei der Frist von 30 Tagen handelt es sich um eine sogenannte Ordnungsfrist. Bei einer Ordnungsfrist werden nach Ablauf der Frist nicht die sonst an die Überschreitung einer Frist geknüpften Rechtsfolgen ausgelöst. Das Erlassgesuch kann somit noch so lang gestellt werden, wie offene Rückforderungen bestehen. Rückforderungen von zu Unrecht ausgerichteten EL können mit fälligen EL oder weiteren Leistungen verrechnet werden, sofern die Rückforderung nicht erlassen werden kann. Dabei darf das betreibungsrechtliche Existenzminimum nicht unterschritten werden (WEL 4.6.4). In einer Rückerstattungsverfügung dar einer allfälligen Einsprache die aufschiebende Wirkung nicht entzogen werden. Die Einsprache hemmt somit das Inkasso der Rückforderung.

6. Fristen, Erlassgesuch, Einsprache, Beschwerde  (Art. 38 ATSG)

​​​​​​6.1.1 Fristen allgemein

  • Berechnet sich eine Frist nach Tagen oder Monaten und bedarf sie der Mitteilung an die Parteien, so beginnt sie am Tag nach ihrer Mitteilung zu laufen (Art. 38 Abs. 1 ATSG).
  • Bedarf sie nicht der Mitteilung an die Parteien, so beginnt sie am Tag nach ihrer Auslösung zu laufen.
  • Eine Mitteilung, die nur gegen Unterschrift des Adressaten beziehungsweise der Adressatin oder einer anderen berechtigten Person überbracht wird, gilt spätestens am siebenten Tag nach dem ersten erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt.
  • Ist der letzte Tag der Frist ein Samstag, ein Sonntag oder ein anerkannter Feiertag, so endet sie am nächstfolgenden Werktag.
  • Schriftliche Eingaben müssen spätestens am letzten Tag der Frist dem Versicherungsträger eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post übergeben werden (Art. 39 Abs. 1 ATSG).
  • Gelangt die Partei rechtzeitig an einen unzuständigen Versicherungsträger, so gilt die Frist als gewahrt.

6.1.2 Fristenstillstand (Art. 38 ATSG)

Gesetzliche oder behördliche Fristen, die nach Tagen oder Monaten bestimmt sind, stehen still (s. Links: Fristenrechner)

  • vom siebten Tag vor Ostern bis und mit dem siebten Tag nach Ostern
  • vom 15. Juli bis und mit dem 15. August
  • vom 18. Dezember bis und mit dem 02. Januar

Auf eine Rückforderungsverfügung hin, kann ein Erlassgesuch gestellt werden. Betreffend Frist siehe Kap. 5. Die Rückforderung des zu Unrecht bezogenen Betrags kann nur erlassen werden, wenn dieser in gutem Glauben empfangen wurde und die Rückforderung eine grosse Härte bedeuten würde. Beide Erlassvoraussetzungen müssen erfüllt und in einem schriftlichen Gesuch ausführlich begründet und belegt sein. Die Einreichungsadresse ist die Ausgleichskasse des Kantons Bern (Erlassentscheid vom 02.02.2017 zu Rückerstattungsverfügung in Fall Nr. 2622).

Guter Glaube
Nach der Rechtsprechung (BGE 112 V 103) liegt der gute Glaube dann vor, wenn die «fehlerhafte Handlung oder Unterlassung nur eine leichte Verletzung der Melde- oder Auskunftspflicht darstellt» (siehe Merkblätter: Erlassentscheid vom 02.02.2017 zu Rückerstattungsverfügung vom 05. August 2016).

Grosse Härte
In Art. 5 ATSV ist ausgeführt, was der Gesetzgeber in Art. 25 ATSG unter grosser Härte versteht.

Rückerstattungspflichtige ohne genügendes Einkommen und ohne Vermögen können bei der Ausgleichskasse des Kantons Bern ein Gesuch um ratenweise Rückzahlung stellen (auch möglich, nach einem abgelehnten Erlassgesuch). Solche Gesuche sind innert 30 Tagen seit der Zustellung der Rückerstattungsverfügung bzw. eines allfälligen Erlass- oder Einspracheentscheides schriftlich, begründet und unter Angabe der möglichen Abzahlungsbeträge einzureichen (Rechtsmittelbelehrung einer Rückerstattungsforderung). 

Gegen eine Verfügung der Ausgleichskasse kann innert 30 Tagen seit Zustellung bei der Ausgleichskasse des Kantons Bern Einsprache erhoben werden. Diese ist als solche zu bezeichnen und hat eine Darstellung des Sachverhalts, einen Antrag und eine kurze Begründung zu enthalten. Beizulegen sind: die angefochtene Verfügung, der Zustellbriefumschlag, alle nötigen Beweismittel sowie eine allfällige Vertretungsvollmacht (gemäss Rechtsmittelbelehrung auf jeder Verfügung). Das Einspracheverfahren ist kostenlos (Art. 52 ATSG). Wird eine Herabsetzung oder Aufhebung der EL verfügt, wird in der Verfügung meist darauf hingewiesen, dass einer allfälligen Einsprache die aufschiebende Wirkung entzogen wird. In diesem Fall wird die Verfügung sofort vollstreckt, d.h. die Herabsetzung oder Aufhebung der EL vorgenommen auch wenn eine Einsprache erhoben werden sollte.

Gegen einen Einspracheentscheid betreffend einer EL-Verfügung kann innert 30 Tagen seit Zustellung schriftlich beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, Speichergasse 12, 3011 Bern, Beschwerde erhoben werden. Die Beschwerde muss eine Darstellung des Sachverhalts, ein Rechtsbegehren und eine kurze Begrünung enthalten. Sie ist unter Beilage des angefochtenen Einspracheentscheids und des Zustellkuverts in zweifacher Ausfertigung beim Verwaltungsgericht einzureichen. Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos, es sei denn, diese werde mutwillig oder leichtsinnig erhoben (Art. 61 lit. a ATSG). Kostenpflichtig ist hingegen eine Beschwerde in einem IV-Verfahren.

7. Strafbarer unrechtmässiger Bezug von EL

Am 01. Oktober 2016 gab es im Strafgesetzbuch diverse Änderungen, u.a. der neue Straftatbestand Art. 148a StGB Unrechtmässiger Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe. In Fällen von Meldepflichtverletzungen oder anderweitigen unrechtmässigen Leistungsbezügen könnte dieser Straftatbestand erfüllt sein und allenfalls zu einer Strafanzeige durch die Ausgleichskasse führen. (s. Merkblätter: Mitteilungen an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen Nr. 381)

8. Rückerstattungspflicht von rechtmässig bezogenen EL

Rechtmässig bezogene EL, inkl. des Betrags für die Krankenkassenprämie und Krankheits- und Behindertenkosten, sind nach dem Tod der EL-beziehenden Person aus dem Nachlass zurückzuerstatten. Dies gilt auch dann, wenn die EL nicht bis zum Tod bezogen worden sind. (Rz 4710.01 und Rz 4710.02 WEL). Bei Ehepaaren entsteht die Rückerstattungspflicht erst aus dem Nachlass der/des Zweitverstorbenen (Rz 4710.05 WEL).

Die Rückerstattungspflicht gilt nur für Leistungen, welche ab dem 01.01.2021 bezogen worden sind (Rz. 4710.04 WEL) und erlischt 1 Jahr nachdem die EL-Stelle hätte Kenntnis nehmen können, spätestens aber nach 10 Jahren der einzelnen Auszahlung (Rz 4730.01 WEL). Diese Verwirkungsfrist gilt auch für die/den erstverstorbenen Ehegattin/Ehegatten, deren/dessen EL erst nach dem Tod des überlebenden Ehegatten geschuldet sind (Rz 4730.20). Somit muss die Rückerstattung der rechtmässig bezogenen EL innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt, an welchem die EL-Stelle Kenntnis erlangt hat oder hätte erhalten haben sollen, verfügt werden. Zuständig ist die EL-Stelle des Kantons, der als Letztes für die Berechnung und Auszahlung von EL zuständig gewesen ist (Rz 4761.01ff WEL). Die Rückerstattung ist zudem nur aus demjenigen Teil des Nachlasses zurückzuerstatten, der Fr. 40'000.- überschreitet (Rz 4710.03 WEL). Massgebend für die Höhe des Nachlasses ist der Netto-Nachlass zum Todeszeitpunkt. Forderungen, die vor dem Todeszeitpunkt entstanden sind, können vom Nachlass in Abzug gebracht werden (Rz 4720.03 WEL). Nach dem Tod entstandene Kosten, wie Todesfallkosten, werden dabei nicht berücksichtigt (Rz 4720.03ff WEL und Art. 27a Abs. 1 ELV). Der Wert einer Liegenschaft wird analog einer nicht selbstbewohnten Liegenschaft berechnet (s. Stichwort: EL-Vermögen ab 2021). Wird zu einem späteren Zeitpunkt die Liegenschaft zu einem höheren Wert (Marktwert) als dem Repartitionswert verkauft, beeinflusst dies den Rückerstattungsbetrag nachträglich nicht. Die Differenz geht an die Erben (Tel. Auskunft der AKB an François Felber, BL Sozialberatung PSBE am 04.01.2021). Die Rückforderung von rechtmässig bezogenen EL aus dem Nachlass kann nicht erlassen werden (Rz 4750.01 WEL). Informationen zu Vorgehen und Fristen s. Kap. 4.7.6.1 bis 4.7.6.3 und 4.7.7 WEL.

9. Auskunftspflicht der Ausgleichskasse und der AHV-Zweigstellen gegenüber der Pro Senectute

Gemäss Schreiben vom 08.11.2014 von Herrn Haas, Abteilungsleiter Leistungen der Ausgleichskasse des Kantons Bern an Pro Senectute Kanton Bern, ist es den AHV-Zweigstellen auf schriftliche Anfrage hin erlaubt, der Pro Senectute im Einzelfall Einblick in die Berechnung der Ergänzungsleistungen zu geben (WEL Rz 6210.02). Eine Anfrage per E-Mail genügt (s. Merkblätter: Auskunftspflicht gegenüber der Pro Senectute).

Checkliste Anmeldung Ergänzungsleitungen (EL), s. Dokumentenvorlagen Geras

Die Sozialversicherung in der Schweiz, Recht für die Praxis von Dieter Widmer, 2017

Änderungen im Stichwort

Datum Inhalt Visum
07.12.2020 
  • EL-Reform 2021 - Korrektur: Kap. 3.5. Erlöschen des Anspruchs bei Tod
  • EL-Reform 2021 - Neu: Kap. 8 Rückerstattungspflicht von rechtmässig bezogenen EL
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29.03.2021
  • Ergänzung: Kap. 3.1 Grundsatz
  • Neu: Kap. 1.4 Vertretungsberechtigung
  • Korrektur EL-Reform: Kap. 2.5 Einstellung der EL bei längerem Auslandaufenthalt
  • Zusammengefügt: Kap. 2.5.1 und Kap. 2.5.2, Kap. 2.5.3 wird neu Kap. 2.5.2
sni
28.08.2023
  • Ergänzung: Kap. 3.5 Erlöschen des Anspruchs mit dem Tod (Finanzierung Todesfallkosten)
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28.03.2024
  • Gelöscht: Kap. 10 Fachspezifische Rechtsauskünfte der Ausgleichskasse. Kap. ist nicht mehr nötig, da in Stichwort: Rechtsberatung geregelt.
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