Sozialhilfe
30.05.2018 / sni
Letzte Anpassung: 25.07.2025 / sni
- Ergänzung Kap. 2.6 Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen mit Freizügigkeitsguthaben: aktuelle Praxis im Kanton Bern.
Zusammenfassung
Dieses Stichwort erklärt die Grundlagen für die Bemessung der Sozialhilfe im Kanton Bern und führt die für die Pro Senectute wichtigsten Punkte aus. Es wird zuerst die Grundsätze der Sozialhilfe erläutert und danach auf die Schnittstellen zwischen den Sozialdiensten und der Pro Senectute eingegangen. Weitere für die Pro Senectute relevanten Fragen und Themen bzgl. Sozialhilfe können im öffentlich zugänglichen Handbuch der Berner Konferenz für Sozialhilfe und Kindes- und Erwachsenenschutz BKSE (s. Links) geklärt werden.
1. Grundsätze
In der Schweiz gibt es kein nationales Gesetz für die Ausrichtung von Sozialhilfe. Die SKOS-Richtlinien werden von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) erarbeitet und angepasst. Sie geben Anhaltspunkte und Empfehlungen für die Bemessung der Sozialhilfe in der Schweiz. Die Anwendung der SKOS-Richtlinien ist jedoch jedem Kanton überlassen. Im Kanton Bern gibt es ein Sozialhilfegesetz sowie eine Sozialhilfeverordnung. Das Gesetzt regelt Übergeordnetes wie Zuständigkeit, Finanzierung, Angebote, Rechte und Pflichten, Rollen der verschiedenen Behörden. Die Sozialhilfeverordnung macht Vorgaben über die Bemessung der Sozialhilfe und akzeptiert die SKOS-Richtlinien als verbindlich, sofern in der Verordnung keine andere Regelung festgelegt worden ist.
Im kantonalen Handbuch der BKSE werden die Richtlinien und Erlasse erläutert und für die Praxis konkretisiert mit dem Ziel, im Kanton Bern Rechtsgleichheit bei der wirtschaftlichen Grundversorgung zu gewährleisten, Transparenz zu schaffen, Willkür zu vermeiden sowie die Handlungssicherheit in der Praxis zu erhöhen. Dennoch gibt es innerhalb der vorhandenen Spielräume nach wie vor Unterschiede in der Sozialhilfepraxis der Sozialdienste wie z.B. die variablen Mietzinsrichtlinien.
Das sozialhilferechtliche Existenzminimum ist tiefer das ergänzungsleistungsrechtliche Existenzminimum. Die SKOS bietet die möglichkeit den ungefähren Betrag in einem Sozialhilferechner online zu berechnen (s. Links: Sozialhilferechner). I.d.R. liegt das sozialhilferechtliche Existenzminimum unter dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum. Ist dies nicht der Fall, besteht trotzdem kein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen (s. BKSE, Betreibungsrechtliches Existenzminimum).
Die Sozialhilfe finanziert keine Mietzinskautionen (Ausnahmen s. BKSE, Mietzins) und keine Depotzahlungen an Institutionen (s. BKSE, Stationäre Aufenthalte).
2. Schnittstelle Sozialdienste – Pro Senectute
Schnittstellen zur Sozialhilfe entstehen hauptsächlich in folgenden Situationen:
Die Sozialdienste im Kanton Bern verlangen von ihrer Klientel den AHV-Vorbezug zwei Jahre vor dem Erreichen des Referenzalter, da Sozialhilfeleistungen gegenüber anderen Leistungen subsidiär sind. Mit dem AHV-Vorbezug sind auch Leistungen aus der 2. und 3. Säule geltend zu machen, damit eine Ablösung vom Sozialdienst möglich wird. Es ist Aufgabe der Sozialdienste (im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips) sicherzustellen, dass Einkommen und/oder Vermögen Existenz sichernd sind, bevor eine Ablösung vom Sozialdienst erfolgt. Wenn eine Person dazu nicht in der Lage ist, wird sie vom zuständigen Amt (Sozialdienst oder AHV-Zweigstelle) dabei unterstützt. Eine Ablösung vom Sozialdienst wird erst vorgenommen, wenn die Existenzsicherung durch Sozialversicherungsleistungen gewährleistet ist (Auskunft von Melanie Wyss, Geschäftsleiterin BKSE im Mai 2018). Das heisst, dass AHV-Rente und EL verfügt sind und ausbezahlt werden sowie dass allfällige Pensionskassenguthaben ausbezahlt sind. In der Regel werden Sozialhilfeempfangenden Kapitalleistungen aus der Pensionskasse ausbezahlt, weil sie zum Zeitpunkt der Pensionierung nicht erwerbstätig waren und somit keinen Anspruch auf eine Rentenauszahlung haben. Es ist deshalb möglich, dass eine Person nur mit AHV-Rente und Pensionskassenkapital von der Sozialhilfe abgelöst wird und zu einem späteren Zeitpunkt, nach dem Vermögensverzehr, eine EL-Anmeldung vorgenommen werden muss. In diesen Fällen unterstützt die Pro Senectute die Seniorinnen und Senioren bei Bedarf bei der EL-Anmeldung.
Wenn Sozialhilfebeziehende nicht oder schlecht in der Lage sind, ihre administrativen und finanziellen Angelegenheiten selbst zu erledigen, wird vor der Ablösung vom Sozialdienst die Errichtung einer Beistandschaft besprochen oder beantragt (Auskunft von Melanie Wyss, Geschäftsleiterin BKSE im Mai 2018).
Anders als bei der EL werden sämtliche Einnahmen, so auch Leistungen von Dritten, vollumfänglich im Sozialhilfebudget angerechnet (s. BKSE, Freiwillige Leistungen Dritter). Bei Zuwendungen von Dritten wird nach dem Zweck der Zuwendungen unterschieden. Wenn die Leistungen dem Zweck der Sozialhilfe entsprechen, d.h. wenn die Leistung auch von der Sozialhilfe übernommen würde, wird die Zuwendung nicht als Einnahme angerechnet, es werden dafür aber auch keine Sozialhilfeleistungen dafür erbracht. Wenn der Zweck nicht der Sozialhilfe entspricht, d.h. wenn die Zuwendung für Kosten geleistet wird, welche nicht durch die Sozialhilfe übernommen würden, wird sie vollumfänglich als Einnahme angerechnet. Folglich ist es nicht zielführend, Gesuche für Sozialhilfeempfangende zu stellen. Zudem ist im ELG geregelt, dass keine einmaligen oder periodischen Leistungen an Personen, die dauernd oder vorübergehend von der Sozialhilfe unterstützt werden, gewährt werden dürfen (Art. 18 ELG). Dies ist auch so in der internen Arbeitshilfe der PS BE zum Reglement Individuelle Finanzhilfe (RIF) geregelt (s. Interne Arbeitshilfe, Allgemeines).
Ausnahme: Im Juni 2018 hat der Sozialdienst Bern, welcher eher für eine strenge Anwendung der Richtlinien bekannt ist, ein Gesuch für ein Liberoabo für einen Sozialhilfeklienten unterstützt (sprich die Leistungen von IF nicht als Einnahme angerechnet, obwohl das Liberoabo im Grundbedarf enthalten ist), weil ein Rekurs bei der EL (wegen Verzichtsvermögen) hängig war und der Sozialdienst davon ausgeht, dass er nur bevorschussend auf die EL unterstützt.
Wenn in einer EL-Berechnung Verzicht auf Einkünfte und/oder Vermögenswerte (z.B. hypothetisches Einkommen oder verschenkte Liegenschaft) eingerechnet wird, übersteigen die Ausgaben die Einnahmen und es entsteht ein Fehlbetrag im Monatsbudget oder der Anspruch auf EL erlischt, obwohl das Vermögen resp. das Einkommen faktisch nicht mehr vorhanden ist. Beispielsweise können Heimrechnungen wegen Verzichtsvermögen aufgrund von verschenkter Liegenschaft nicht bezahlt werden. Wenn dieser Fehlbetrag nicht durch Leistungen von Dritten oder durch sparsame Lebensführung überbrückt werden kann, entsteht eine Bedürftigkeit und somit ein Anspruch auf Sozialhilfeunterstützung.
Erfolgt ein Antrag auf Sozialhilfe wegen Verzichtsvermögen und wird aufgrund der Bedürftigkeit darauf eingetreten, sind die Sozialdienste verpflichtet, die Verwandtenunterstützung abzuklären (s. BKSE, Verwandtenunterstützung). Seit dem 01.01.2022 gelten strengere Vorgaben für Verwandtenunterstützung bei sogenanntem Verzicht auf Vermögen zugunsten von unterstützungsfplichten Verwandten (Art. 10b bis Art. 10d SHV). Es gelten Vermögensfreibeträge von Fr. 125'000.- für Alleinstehende und Fr. 250'000.- für Ehepaare zuzüglich Fr. 20'000.- pro minderjährigen oder in Ausbildung stehendem Kind. Vom Vermögensanteil, der über diesem Freibetrag liegt, wird ein Vermögensverzehr angerechnet (Art. 10c, Abs. 4 SHV). Das anrechenbare Einkommen inkl. Vermögensverzehr darf Fr. 60'000.- bei Alleinstehenden und Fr. 90'000.- bei Ehepaaren zuzüglich Fr. 10'000.- pro minderjährigem oder in Ausbildung stehendem Kind nicht überschreiten (Art. 10c Abs. 1 und Art. 10d Abs. 1 Bst. a und b SHV). Der Sozialdienst führt die Prüfung der Verwandtenbeitragsmöglichkeit anhand von Steuerabfragen durch. Ergibt die Berechnung, dass ein Verwandtenbeitrag geschuldet ist, setzt sich der Sozialdienst mit den Verwandten in Verbindung, um einigung über die Beiträge zu erzielen. Kann keine einvernehmliche Lösung gefunden werden, ist die Unterstützungspflicht klageweise geltend zu machen (s. BKSE, Verwandtenunterstützung).
Auch bei hypothetischem Einkommen ist die Sozialhilfe verpflichtet innerhalb des sozialhilferechtlichen Existenzminimums das Budget zu ergänzen. Der Sozialdienst wird in solchen Fällen Massnahmen zur Behebung der Bedürftigkeit einleiten. Das können einerseits rechtliche Massnahmen gegen die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens, wie ein Antrag auf Verzicht auf hypothetisches Einkommen (s. BKSE, Ergänzungsleistungen), oder andererseits Arbeitsintegrationsmassnahmen, wie Arbeitsprogramm oder Belege für Stellensuche, sein. Die EL-Beziehenden sind in Beratungsgesprächen entsprechend zu informieren.
Sozialhilfe erfolgt subsidiär gegenüber der Selbsthilfe (Einkommen, Vermögen), freiwilligen Leistungen Dritter und Leistungsverpflichtungen Dritter (Sozialversicherungen). Sozialhilfe wird ausgerichtet, wenn die Selbsthilfe oder die Dritthilfe nicht rechtzeitig, nicht ausreichend oder gar nicht vorhanden ist. Eine Ablösung von der Sozialhilfe mit AHV-Rente, Pensionskassenguthaben und Ergänzungsleistungen wird erst vorgenommen, wenn alle Leistungen fliessen, sofern sie rechtzeitig angemeldet worden sind (s. BKSE, AHV-Vorbezug). Wenn aufgrund eines Heimeintritts ein Anspruch auf EL entsteht, ist innert Frist eine EL-Anmeldung vorzunehmen und sind die Heime um Mahnstopp oder Ratenzahlung zu bitten, bis die EL fliessen. Mit Sozialhilfe werden keine Heimkosten bevorschusst und keine Depotzahlungen geleistet (Auskunft von Melanie Wyss, Geschäftsleiterin BKSE im Mai 2018).
Wenn eine EL beziehende Person mit einer Person zusammenlebt, die Sozialhilfe bezieht, wird bei der Berechnung des Sozialhilfebudgets auch das Einkommen und allenfalls auch das Vermögen der EL beziehenden Person berücksichtigt. Dabei wird unterschieden, ob es sich bei den in einem gemeinsamen Haushalt lebenden Personen um ein Konkubinatspaar handelt oder um einen EL beziehenden Elternteil, welcher mit seiner erwachsenen Tochter oder seinem erwachsenen Sohn zusammenlebt. Deshalb werden diese beiden Situationen in einzelnen Unterkapiteln aus Sicht der Sozialhilfe behandelt.
2.5.1 Gemeinsamer Haushalt mit Sozialhilfe beziehender Konkubinatspartnerin resp. Sozialhilfe beziehendem Konkubinatspartner
Die Sozialhilfe unterscheidet zwischen dem stabilen und dem einfachen Konkubinat (s. BKSE, Konkubinat). Unter einem einfachen Konkubinat werden Wohngemeinschaften von Freunden, Kollegen, Geschwistern etc. verstanden. Bei einfachen Konkubinaten werden Einkommen und Vermögen der nicht unterstützten Person nicht im Sozialhilfebudget berücksichtigt. Das heisst, die EL beziehende Person ist nicht unterstützungspflichtig gegenüber der Sozialhilfe beziehenden Person. Bei familienähnlichen Wohngemeinschaften kann aber eine Haushaltsentschädigung angerechnet werden (s. Kap. 2.5.2).
Beim stabilen Konkubinat wird von einer Wirtschafts-, Tisch- und Bettgemeinschaft ausgegangen. Nach Definition der BKSE, wird von einem stabilen Konkubinat ausgegangen, wenn das Konkubinat mindestens fünf Jahre andauert oder die beiden Personen mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben. Beim stabilen Konkubinat werden Einkommen und Vermögen der nicht unterstützten Person (sprich des EL beziehenden Konkubinatspartners) vollumfänglich berücksichtigt. Es werden aber zwei Budgets erstellt, ein SKOS-Budget für die mit Sozialhilfe unterstützte Person und ein erweitertes SKOS-Budget für die nicht unterstützte Person. Beim erweiterten SKOS-Budget für die nicht unterstützte, sprich EL beziehende, Person wird ein halber Grundbedarf nach SKOS-Richtlinien (der Grundbedarf der SKOS-Richtlinien liegt viel tiefer als derjenige nach EL-Richtlinien, s. BKSE, Grundbedarf für den Lebensunterhalt), die Hälfte des Mietzinses innerhalb der Mietzinsrichtlinien der Gemeinde (die Mietzinsrichtlinien werden von der Unterstützungsgemeinde festgelegt) sowie ein Pauschalbetrag für die Krankenkassenprämie gewährt. Zusätzlich dazu werden Franchise und Selbstbehalt sowie jährliche Kosten wie Hausrat- und Privathaftpflicht, Heiz- und Nebenkosten oder Steuerzahlungen als Ausgaben anerkannt. Der Überschuss dieses Budgets wird als Einnahme im Sozialhilfebudget der Sozialhilfe beziehenden Person anerkannt. Bzgl. Vermögen gelten bei beiden Budgets dieselben Vorgaben. Das heisst, wenn das Vermögen der EL beziehenden Person höher als der Vermögensfreibetrag (s. BKSE, Vermögen), besteht für die andere Person kein Anspruch auf Sozialhilfe. Beispiel:
Ausgabeposition |
EL-Budget |
Erweitertes SKOS-Budget |
Bemerkung zur SKOS-Berechnung |
Lebenshaltungskosten |
1607.- |
748.- |
Grundbedarf Sozialhilfe für 2 Personen beträgt im 2018 Fr. 1495.- |
Mietzins inkl. NK |
750.- (bis max. Fr. 1100.-) |
750.- |
Je nach Gemeinde (Bsp. Fr. 1'200.- plus NK für 2-Personenhaushalt in der Stadt Bern) |
Krankenkasse |
(Pauschale EL 2018) 528.- |
600.- |
Effektive Prämie inkl. VVG |
Franchise und Selbstbehalt |
83.30 |
83.30 |
Fr. 1'000.-/Jahr |
Hausrat/Privathaftpflicht |
0.- |
100.- |
Bei EL in Lebenshaltungskosten, bei SH ½ Rechnung |
Nebenkostenschlussabrechnung |
0.- |
50.- |
Bei EL in Lebenshaltungskosten, bei SH ½ von Rechnung |
Steuern |
0.- |
250.- |
Bei EL in Lebenshaltungskosten bei SH vollumfänglich, mit Zahlungsbeleg |
Total |
3'318.30 |
2'581.30 |
Differenz 737.- |
Die Differenz von Fr. 737.- wird der Sozialhilfe beziehenden Person im Sozialhilfebudget als Einkommen angerechnet.
2.5.2 Gemeinsamer Haushalt mit erwachsenem Sozialhilfe beziehendem Kind (Tochter oder Sohn)
Wenn ein Kind (erwachsener Sohn oder erwachsene Tochter wird im Folgenden als Kind bezeichnet) mit einem Elternteil oder beiden Elternteilen zusammenlebt, wird diese Wohngemeinschaft in der Sozialhilfe als familienähnliche Wohngemeinschaft oder einfaches Konkubinat betrachtet. Grundsätzlich werden Einkommen und Vermögen des nicht Sozialhilfe beziehenden Elternteils (der EL beziehenden Person) nicht in der Berechnung des Sozialhilfebudgets des Sozialhilfe beziehenden Kindes berücksichtigt. Jedoch wird überprüft, ob der Elternteil den Mietzins vollumfänglich übernehmen kann und ob eine Haushaltsentschädigung (s. BKSE, Entschädigung für Haushaltsführung) angerechnet werden muss.
Gemäss Stichwort BKSE Mietzins ist dem Sozialhilfe beziehenden Kind einen Anteil an den Mietzins zu gewähren, ausser Eltern und Kind verzichten darauf. Ein Verzicht ist bei EL beziehenden Eltern finanziell nicht möglich, da auch sie die Wohngemeinschaft der AHV-Zweigstelle melden müssen und infolgedessen nur die Hälfte des Mietzinses im EL-Budget angerechnet wird. Aufgrund der Differenz bei den Mietzinsrichtlinien in der Sozialhilfe und bei den Ergänzungsleistungen, kann eine nichtgedeckte Differenz entstehen. Beispiel: Der Mietzins inkl. NK beträgt Fr. 1400.-. Die Hälfte davon liegt somit innerhalb der EL-Richtlinien für eine nicht verheiratete Person. Die EL beziehende Mutter erhält von der Ausgleichskasse die Hälfte davon, sprich Fr. 700.-, im Budget anerkannt. In der Sozialhilfe werden jedoch nur Fr. 1150.- für zwei Personen (fiktiver Betrag) anerkannt und folglich im Sozialhilfebudget nur Fr. 575.- plus die Hälfte der Nebenkosten (z.B. Fr. 125.-) berechnet. Es entsteht eine Differenz von Fr. 50.-, die aus den Lebenshaltungskosten bezahlt werden muss.
Des Weiteren kann eine Entschädigung für Haushaltsführung berechnet werden (s. BKSE, Entschädigung für Haushaltsführung). Dies wird gemacht, wenn hauptsächlich die Sozialhilfe beziehende Person den Haushalt führt. Da der EL beziehende, pensionierte Elternteil i.d.R. keiner Erwerbsarbeit nachgeht und sich in demselben Umfang wie die erwerbslose Sozialhilfe beziehende Person um den Haushalt kümmern kann, ist davon auszugehen, dass in diesen Fällen keine Entschädigung für Haushaltsführung angerechnet wird. Pflegt jedoch die Sozialhilfe beziehende Person den EL beziehenden Elternteil und führt den gemeinsamen Haushalt alleine, kann im Budget der Sozialhilfe beziehenden Person eine Haushaltsentschädigung angerechnet werden. Die Haushaltsentschädigung wird mit Hilfe eines erweiterten SKOS-Budgets berechnet (s. Kap. 2.5.1). Im Gegensatz zum stabilen Konkubinat wird nur die Hälfte des Überschusses, bis zu einem definierten Maximalbetrag, aus dem erweiterten SKOS-Budget als Haushaltsentschädigung angerechnet.
2.5.3 Einrechnung der Hilflosenentschädigung in der Sozialhilfe
Wenn eine AHV beziehende Person Hilflosenentschädigung (HE) erhält und von der im selben Haushalt lebenden und Sozialhilfe beziehenden Person (Konkubinatspartnerin, -partner oder Kind) in Haushalt/Pflege unterstützt wird, wird die HE bei der Sozialhilfe beziehenden Person im Budget als Einnahme eingerechnet (s. BKSE, Hilflosenentschädigung).
Auch rechtmässig bezogene Sozialhilfeleistungen sind rückerstattungspflichtig, wenn sich die finanziellen Verhältnisse einer Person wesentlich verbessert haben (s. BKSE, Rückerstattungspflicht und Art. 40 Abs. 1 SHG). Im Stichwort Rückerstattungspflicht der BKSE ist erläutert, ab welchem Einkommen und Vermögen eine Rückerstattung aufgrund von wesentlich verbesserten finanziellen Verhältnissen zum Tragen kommt.
Im Kanton Bern stellt die Auszahlung eines Freizügigkeitsguthabens nach Eintritt eines durch die 2. Säule abgedeckten Risikos (Alter, Invalidität, Tod) keinen Vermögensanfall im Sinne des Rückerstattungsrechts dar (s. BKSE, BVG Freizügigkeit). Vielmehr kommt einem solchen Guthaben die Funktion von in Kapitalform zugegangenen Ersatzeinkünften zu. Es ist für den laufenden Lebensunterhalt zu verwenden und soll dazu beitragen, dass die Person künftig nicht (mehr) unterstützt werden muss. Das Bundesgericht hat jedoch am 24.11.2021 in einem Urteil entschieden, dass eine Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen mit Freizügigkeitsguthaben zulässig ist (s. Rechtliches: Bundesgerichtsurteil vom 24.11.2021 und Quellen: Rückzahlung der Sozialhilfe mit Freizügigkeitsguthaben). Das Bundesgericht argumentiert damit, dass Pensionskassengeld (Rente und Freizügigkeitsguthaben) grundsätzlich pfändbar und somit nicht vor Gläubigern geschützt sei. Bei der Rückerstattung von Sozialhilfeleistungen aus Freizügigkeitsguthaben sei jedoch der beschränkten Pfändbarkeit Rechnung zu tragen (s. Quellen: Bezogenes Freizügigkeitsguthaben und Rückforderung von Sozialhilfe). Das führt dazu, dass zwar nicht das gesamte Kapital zur Rückzahlung von Sozialhilfeleistungen verwendet werden muss, dass jedoch ein Leben mit dem Betreibungsrechtlichen Existenzminimum zur Rückerstattung von rechtmässig bezogenen Sozialhilfeleistungen verlangt werden kann. Gemäss Information des juristischen Dienstes der Sozialdirektion der Stadt Burgdorf gilt aktuell (2025) im Kanton Bern folgende Praxis (s. Merkblätter: Rückerstattung Sozialhilfeleistungen aus Freizügigkeitsguthaben): Wenn es zur Auszahlung von Freizügigkeitsguthaben kommt, ist das Freizügigkeitsguthaben rechnerisch in Einkommen umzuwandeln (bei Altersrentner/-innen 1/10 des Kapitals im Jahr analog EL-Recht) und zu den übrigen Einkünften dazuzurechnen. Gleichzeitig wird folgendes Ausgabebudget erstellt:
- Doppelter Ansatz des Grundbedarfs für den Lebensunterhalt nach Sozialhilferecht im Kanton Bern
- effektive Wohnkosten
- Kosten der medizinischen Versorgung
- Erwerbs- und Ausbildungskosten sowie weitere begründete Auslagen nach effektivem Aufwand
- Kosten für Steuern, Versicherungen, Unterhaltsbeiträge, Schuldzinsen und Schuldentilgung
Es wird höchstens die Hälfte des Überschusses für die Rückerstattung verwendet. Die gesamte Rückzahlungsdauer sollte vier Jahre nicht überschreiten.
Weitere Details s. Merkblätter: Rückerstattung Sozialhilfeleistungen aus Freizügigkeitsguthaben.
3. Vorgehen bei Sozialhilfeantrag und Unstimmigkeiten
Ein Sozialhilfeantrag kann erst gestellt werden, wenn die Bedürftigkeit besteht, das heisst, wenn das Einkommen unter dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum liegt und das Vermögen bis zum Vermögensfreibetrag verbraucht ist (s. BKSE, Vermögen). In der Regel stellen die Sozialhilfe beantragenden Personen das Gesuch selbst. In Ausnahmefällen können Dritte, wie die PS, das Gesuch in Zusammenarbeit mit der bedürftigen Person stellen. D.h. die urteilsfähige, bedürftige Person muss das Sozialhilfegesuch selbst unterschreiben.
Die Anmeldeverfahren können je Sozialdienst variieren. I.d.R. wird nach mündlicher oder schriftlicher Anmeldung ein erster Termin auf dem Sozialdienst vereinbart. Beim diesem Erstgespräch wird die Situation besprochen und die mögliche Bedürftigkeit abgeklärt. Wenn die Bedürftigkeit gegeben oder unklar ist, werden die für die genaue Berechnung der Bedürftigkeit notwendigen Unterlagen verlangt. Die Unterlagen müssen innert einer vom Sozialdienst festgelegten Frist eingereicht werden. Werden sie nicht innert Frist eingereicht, kann nicht auf das Gesuch eingetreten werden. Die Sozialhilfe wird bei Bedürftigkeit grundsätzlich ab dem Monat geleistet, in welchem das Gesuch erfolgt ist. Schulden werden nicht übernommen.
Eine Sozialhilfe beziehende Person kann jederzeit eine Verfügung vom Sozialdienst verlangen, die dann als Grundlage für eine Einsprache oder ein Beschwerdegespräch dienen kann. Auch eine für einen ablehnenden Entscheid (Nicht Eintreten auf ein Gesuch oder kein Anspruch auf Sozialhilfe) kann eine Verfügung verlangt werden. Zudem gibt es Actio Bern, die Fachstelle für Sozialhilfe, welche sich für die Rechte von Sozialhilfebeziehenden einsetzt und kostenlose Beratungen anbietet (s. Stichwort: Ombudsstellen).
4. Quellen und Links
- Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
- Bundesgerichtsurteil vom 24.11.2021 (8C_441/2021)
- SKOS-Richtlinien
- Sozialhilfegesetz des Kantons Bern (SHG)
- Sozialhilfeverordnung des Kantons Bern (SHV)
- Handbuch Sozialhilfe im Kanton Bern von der Berner Konferenz für Sozialhilfe, Kindes- und Erwachsenenschutz (BKSE)
keine
keine
Bezogenes Freizügigkeitsguthaben und Rückforderung von Sozialhilfe, Medienmitteilung des Bundesgerichts vom 17.12.2021
Siehe auch
Änderungen im Stichwort
Datum | Inhalt | Visum |
07.03.2022 |
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04.01.2023 |
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25.07.2025 |
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