Wohnrecht und Nutzniessung

 

14.05.2021 / sni

Zusammenfassung

In diesem Stichwort werden die Dienstbarkeiten Wohnrecht und Nutzniessung erläutert sowie deren Konsequenzen hauptsächlich aus dem Blickwinkel der abtretenden Generation ausgeführt. Bei Auswirkungen bei EL-Bezug wird auf die entsprechenden EL-Stichwörter verwiesen.

1. Allgemein

Das Wohnrecht sowie die Nutzniessung sind Personaldienstbarkeiten (Art. 745ff ZGB), welche eine bestimmte Person zur Nutzung eines Grundstücks resp. einer Liegenschaft berechtigen. Bei der Überschreibung einer Liegenschaft, häufig von Eltern an ihre Nachkommen, kann der übertragenden Generation ein entgeltliches oder unentgeltliches Wohnrecht oder eine Nutzniessung gewährt werden. Die Überschreibung kann in Form eines Verkaufs oder einer Schenkung erfolgen. Ein Wohn- oder Nutzniessungsrecht reduziert den Verkaufs- resp. Schenkungswert der Liegenschaft. Der Kapitalwert eines Wohn- oder Nutzniessungsrechts wird anhand des (Netto-)Mietwerts sowie des Alters der berechtigten Person berechnet (s. Stichwort: EL-Verzicht auf Einkünfte und Vermögenswerte, Kap. 2.4.2). Das Recht entsteht durch Eintrag in das Grundbuch. Erwerbsgrund ist in der Regel ein vom Notar öffentlich beurkundeter Dienstbarkeitsvertrag oder eine Verfügung von Todes (Testament, Erbvertrag) wegen (s. Quellen: Nutzniessung Grundlage und s. Quellen: Wohnrecht Grundlage). Auch ein Erbteilungsvertrag oder ein Richterspruch (insbesondere bei einer Erbteilung) stellen einen Erwerbsgrund dar (s. Quellen: Nutzniessung Merkblatt und Wohnrecht Merkblatt). Die Dienstbarkeit endet mit der Löschung des Eintrags aus dem Grundbuch. Gründe dafür können der Ablauf einer Frist, ein Verzicht, die Kapitalisierung oder der Tod sein.

Eine Übersicht über die Unterschiede hat das Inforama, Bildungs-, Beratungs- und Tagungszentrum im Zusammenhang mit Hofübergaben im Kanton Bern erstellt (s. Quellen: Übersicht: Nutzniessung, Wohnrecht, Miete).

2. Rechte und Pflichten

Das Wohnrecht und die Nutzniessung bringen unterschiedliche Rechte und Pflichten mit sich, welche im Folgenden aufgeführt und erläutert werden. Inwiefern Wohnrecht und Nutzniessung bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen berücksichtigt werden ist den EL-Stichwörtern beschrieben (s. Stichwörter: EL-Berechnung ab 2021 und EL-Verzicht auf Einkünfte und Vermögenswerte ab 2021).

Die/der Wohnberechtigte darf die Liegenschaft oder Teile davon bewohnen. Dieses Recht ist persönlich, und nicht übertragbar. Einzig die Aufnahme von Familienangehörigen und Hausgenossen/Hausgenossinnen ist gestattet, soweit nichts anderes vereinbart worden ist. Dazu gehören namentlich Ehegatten/Ehegattinnen, Lebenspartner/innen, Nachkommen, Geschwister und Haus- oder Pflegepersonal. Gelegentliche Beherbergung von Gästen ist zulässig (s. Quellen: Wohnrecht Merkblatt). Die/der Wohnberechtigte hat kein Recht, die Liegenschaft umzugestalten. Das Wohnrecht kann entgeltlich oder unentgeltlich gewährt werden. Die Verwaltung der Liegenschaft ist Sache der Eigentümerin/des Eigentümers.

Die/der Wohnberechtigte kommt nur für den gewöhnlichen Unterhalt sowie für Heiz- und Nebenkosten und kleine Reparaturen für die von ihr/ihm bewohnten Räume auf, analog der im Mietrecht geltenden Praxis. Danach sind folgende Unterhalts- und Reparaturarbeiten zum gewöhnlichen Unterhalt zu subsummieren: Instantstellung von Schaltern, Steckdosen und Türschlössern, Auswechseln von Sicherungen und Glühbirnen, Entstopfen von Ablaufrohren bis zur Hauptleitung, Entkalken von Wasserhähnen und Entlüften von Heizkörpern (s. Quellen: Wohnrecht Merkblatt). Bei entgeltlichem Wohnrecht ist die/der Wohnberechtigte zur Bezahlung eines vereinbarten Mietzinses verpflichtet. Schäden durch ordnungsgemässen Gebrauch sind davon ausgenommen (s. Quellen: Dienstbarkeiten: Nutzniessung oder Wohnrecht?) sowie die Kosten der Liegenschaft wie Hypothekarzinse, Versicherungsprämien und grössere Reparaturen (s. Quellen: Wohnrecht Merkblatt).

Ein/e Nutzniessende/r darf die Liegenschaft selbst bewohnen und, im Gegensatz zum Wohnrecht, auch verwalten, sprich Dritten vermieten oder überlassen. Sie/er hat das Recht auf Fremderträge wie Mieten oder Zinse.

Die/der Nutzniessende kommt für den gewöhnlichen Unterhalt, Heiz- und Nebenkosten, aber auch für Hypotheken, Versicherungen und grössere Reparaturen auf. Kostenübernahmen von Steuern s. Kap. 3. Zum gewöhnlichen Unterhalt zählen Arbeiten, die regelmässig anfallen. Bei langer Nutzniessungsdauer gehören auch ein Anstrich oder Reparaturen von Dach, sanitären oder elektrischen Anlagen dazu (s. Quellen: Nutzniessung Merkblatt). Diese gesetzliche Kostenverteilung ist nicht verpflichtend und kann per Vertrag anders geregelt werden. Kosten für Massnahmen, welche den gewöhnlichen Unterhalt übersteigen und zum Schutz des Eigentums dienen, gehen zu Lasten der Eigentümerin/des Eigentümers. Weigert sich dieser, die Kosten zu übernehmen, kann die/der Nutzniessende auf Kosten der Eigentümerin/des Eigentümers die Massnahme umsetzen. Der/die Eigentümer/in wiederum darf zur Finanzierung solcher Massnahmen die Hypotheken erhöhen und die Verzinsung der/dem Nutzniessenden überlassen, sofern letztere/r dafür kein, für die Dauer der Nutzniessung, zinsloses Darlehen gewährt (s. Quellen: Nutzniessung Merkblatt).

3. Steuern

Der amtliche Wert der Liegenschaft wird als Vermögen versteuert, der Mietwert oder Einnahmen aus einer Liegenschaft wie Mietzins- oder Pachterträge werden als Einnahmen versteuert (s. Merkblätter: Wohneigentum/Liegenschaften).

Beim Wohnrecht versteuert die/der Wohnberechtigte den Eigenmietwert der Liegenschaft resp. des Teils der Liegenschaft, für welchen das Wohnrecht besteht. Bei einem entgeltlichen Wohnrecht wird der Wohnrechtszins vom Mietwert in Abzug gebracht. Der korrigierte Mietwert kann nicht kleiner sein als Null (s. Merkblätter: Wohnrecht Mietwert). Die/der Eigentümer/in versteuert den amtlichen Wert und den Mietwert des Teils, welcher nicht mit einem Wohnrecht belegt ist. Beim amtlichen Wert kann ein Abzug für Wertverminderung wegen Wohnrecht erfolgen (s. Merkblätter: Wohnrecht amtlicher Wert). Abzüge für den Unterhalt sind bei beiden Parteien möglich (s. Merkblätter: Grundstückskosten).

Die/der Nutzniessende versteuert sowohl den Eigenmietwert resp. den Ertrag aus der Liegenschaft als auch den amtlichen Wert (s. Merkblätter: Liegenschaftssteuer). Die/der Nutzniessende kann somit auch sämtliche getragene Abzüge für Hypothekarzins und Unterhalt gemäss kantonalen Vorgaben vornehmen. Die/der Eigentümer/in kann getragene Unterhaltskosten zum Schutz des Eigentums (s. Kap. 2.2) als Abzug geltend machen (s. Merkblätter: Grundstückskosten).

4. Vor- und Nachteile für abtretende Generation

Bei beiden Varianten kann die Dienstbarkeit nur in gegenseitigem Einvernehmen oder per Gerichtsurteil vorzeitig aufgehoben werden. Eine Partei kann die Dienstbarkeit nicht gegen den Willen der anderen Partei vorzeitig auflösen. Die Dienstbarkeit hat einen Wert. Bei der Übertragung einer Liegenschaft, sei dies bei einer Schenkung oder bei einem Verkauf, wird dieser Wert zusätzlich zu den Hypotheken vom Schenkungs- resp. Verkaufswert in Abzug gebracht. Das hat zur Folge, dass bei einem Verkauf weniger liquide Mittel erzielt werden können resp. dass sich bei einer Schenkung der Schenkungsbetrag reduziert.

Die vorzeitige Aufhebung und Löschung einer Dienstbarkeit ohne Entgelt sprich Kapitalisierung kommt einer Schenkung gleich. Bei EL-Bezug der abtretenden Generation muss der Wert kapitalisiert werden, ansonsten wird in der EL-Berechnung ein Verzicht auf Einkünfte (Mietwert oder Mieteinkünfte) berechnet (s. Stichwort: Verzicht auf Einkünfte und Vermögenswerte). Eine Ausnahme gibt es beim Wohnrecht (s. Kap. 4.1).

Vorteile für die abtretende Generation sind, dass sie ein lebenslanges Recht behält, (un)entgeltlich in der Liegenschaft/Wohnung zu wohnen, jedoch die Verwaltungsaufgaben und Unterhaltskosten nicht mehr tragen muss. Hingegen muss sie den Mietwert (allenfalls abzüglich Wohnrechtszins) weiterhin versteuern, die Versteuerung der Liegenschaft fällt allerdings weg. Im Gegensatz zur Nutzniessung kann bei EL-Bezug das Wohnrecht ohne Kapitalisierung gelöscht werden, wenn die Ausübung des Rechts aufgrund des Gesundheitszustands nicht mehr möglich ist. Dies ist i.d.R. bei Heimeintritt der Fall (s. Stichwort: EL-Verzicht auf Einkünfte und Vermögenswerte).

Nachteil ist, dass das Wohnrecht sozusagen nur in gegenseitigem Einvernehmen vorzeitig gelöscht werden kann und bei EL-Bezug eine vorzeitige Aufhebung ohne Unmöglichkeit der Ausübung kapitalisiert werden muss (s. Stichwort: EL-Verzicht auf Einkünfte und Vermögenswerte).

Vorteil für die abtretende Generation ist, dass sie entscheidungsbefugt sind und über die Liegenschaft frei verfügen können. Sie können selber in der Liegenschaft wohnen oder diese vermieten und über die Einkünfte verfügen. Sie können Unterhaltsarbeiten veranlassen oder nötige Investitionen tätigen.

Nachteil ist, dass die volle Verantwortung für den Unterhalt sowie die vollen Unterhaltskosten getragen werden müssen. Diese können bei EL-Bezug höher sein, als die gemäss WEL anerkannten Ausgaben (s. Stichwort: EL-Berechnung ab 2021). Auch die Nutzniessung kann nur in gegenseitigem Einvernehmen vorzeitig gelöscht und allenfalls kapitalisiert werden. Im Gegensatz zum Wohnrecht muss das Nutzniessungsrecht bei EL-Bezug immer Kapitalisiert werden, um in der EL-Berechnung die Anrechnung eines Verzichts auf Einkünfte zu vermeiden. Ein Bespiel für eine Vereinbarung Kapitalisierung Nutzniessung s. EL-Verzicht auf Einkünfte und Vermögenswerte, Kap. 2.4). Die abtretende Generation hat die Liegenschaft zu versteuern. Stehen grössere Umbauten an der Liegenschaft an, müssen diese mit dem/der Eigentümer/in abgesprochen werden.

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