Vorsorgedokumente allgemein

 

04.06.2021 / jba
 

Zusammenfassung

Die Bedeutung der Selbstbestimmung hat mit der Einführung des neuen Erwachsenenschutzrechtes im 2013 zugenommen. Die Vorsorgedokumente machen es einfacher, heute alle wichtigen Fragen so zu regeln, dass auch in Zukunft der eigene Wille zählt. Das nachfolgende Stichwort gibt eine allgemeine Übersicht über die Vorsorgedokumente. Weiter gibt dieses Stichwort Erklärung und Informationen zum PS-eigenen Vorsorgedokument, dem Docupass. Detaillierte Ausführungen zu den einzelnen Vorsorgedokumenten Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung, Anordnungen für den Todesfall und Testament sind in deren jeweiligen Stichwörtern zu finden. Informationen darüber, was geschieht, wenn bei Eintreten der Urteilsunfähigkeit keine Vorsorgedokumente erstellt wurden ist in den oben erwähnten Stichwörtern, sowie in den Stichwörtern: Erwachsenenschutz sowie KESB und Verfahren beschrieben.

1. Übersicht über die Vorsorgedokumente

Die Bestimmungen zum Erwachsenenschutz sind in Art. 360 - 456 ZGB geregelt. Mit einzelnen Vorsorgedokumenten kann die Selbstbestimmung wahrgenommen und  der eigene Wille im Voraus schriftlich festgehalten werden. Wichtig ist, dass sämtliche Dokumente frewillig erstellt werden können und es von Gesetzes wegen keine Pflicht gibt. Bestehen keine persönlichen Vorsorgedokumente hat der Gesetzgeber vorgesorgt und rechtliche Bestimmungen im Gesetz festgelegt. Er will mit diesen Möglichkeiten die Solidarität in den Familien stärken und die urteilsunfähigen Personen schützen. Für jedes Vorsorgedokument (Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung, Anordnung für den Todesfall und Testament) besteht ein eigenes Stichwort mit entsprechenden Ausführungen, weshalb hier auf weitere Informationen verzichtet wird.

Als Übersicht dient die nachfolgende Grafik, welche auch für Beratungen verwendet werden kann (s.Merkblätter: Übersicht der Vorsorgedokumente):

Sämtliche Vorsorgedokumente müssen im urteilsfähigen Zustand (grün auf der Grafik, s. Kap. 3.1) verfasst bzw. ausgefüllt werden. Wie dies überprüft wird, ist in den einzelnen Stichwörtern nachzulesen.


2. Selbstbestimmung

In der Botschaft zum revidierten Erwachsenenschutzrecht wird die Selbstbestimmung als zentrales Revisionsziel beschrieben. Selbstbestimmung bedarf eines Selbst, das über sich bestimmen kann. Gemeint ist eine Bestimmung, die mit den eigenen Gefühlen, Gedanken, Wünschen und Vorstellungen, also mit der Stimmung des Individuums im eigenen dasein korreliert. Es geht um die Frage, wie weit im Einzelfall staatliches bzw. behördliches Eingreifen notwendig ist, bzw. welche Instrumente bei Menschen mit Schächezuständen angezeigt sind, um möglichst vile Selbstbestimmung zu ermöglichen. Die Urteils- und Handlungsfähigkeit ist im Stichwort: Erwachsenenschutz beschrieben.

Das revidierte Erwachsenenschutzrecht sieht vor, dass die Selbstbestimmung im Rahmen von behördlichen Massnahmen so weit als möglich erhalten und gefördert werden soll (Art. 388 Abs. 2 ZGB). Zudem soll die Selbstbestimmung auch durch die eigene Vorsorge und die gesetzlichen Vertretungsrechte ermöglicht werden. Subsidiär ordnet die Erwachsenenschutzbehörde eine Massnahme an, wenn die Unterstützung der hilfsbedürftigen Person durch die Familie oder andere nahestehende Personen oder private/öffentliche Dienste nicht ausreicht bzw. ungenügend erscheint (Art. 389 Abs. 1 ZGB).

Zu den Überlegungen für eine Standortbestimmung gehört die Auseinandersetzung mit vielen Fragen rund um die eigene Person, um die Lebenssituation und um die persönliche Einstellung im Leben. Man muss sich über viele Entscheidungen Gedanken machen. Dabei können die Leitfragen zur Werteerklärung hilfreich sein (s. Quellen).

  • Wo stehe ich im Leben?
  • Welche Werte sind mir in meinem Leben wichtig?
  • Wie schätze ich meine gesundheitliche Situation ein, jetzt und auch für die Zukunft?
  • Für welche Menschen fühle ich mich verantwortlich?
  • Welchen Menschen in meinem Umfeld vertraue ich am meisten?

Um die richtige Vertrauensperson als Vertretung zu finden, müssen sich die betroffenen Personen mit vertieften Fragen über die eigene Person und die sozialen Beziehungen auseinandersetzen.

  • Wer kann sich um alles Rechtliche kümmern?
  • Wer kann das Finanzielle übernehmen?
  • Wer eignet sich für Fragen ums Haus?
  • Wer könnte - vorübergehend - meine Pflege zu Hause übernehmen?
  • Wer soll in einem Notfall zuerst benachrichtigt werden?

Wichtig ist, dass vorgängig mit den Personen gesprochen wird, die als Vertretungsperson eingesetzt werden sollen. Die vorgesehene Person soll bereit sein, die Aufgaben zu übernehmen und sich dies auch zutrauen. Je besser der/die Beauftragte darüber Bescheid weiss, umso besser kann er/sie die Interessen der urteilsunfähigen Person vertreten.

3. Allgemeine formale Vorschriften

Für die verschiedenen Vorsorgedokumente bestehen z.T. unterschiedliche Formvorschriften. Wenn die vorgegebenen Vorschriften nicht beachtet werden, ist die erstellte Anordnung unter Umständen ungültig. Details zu den Formvorschriften, welche nur die einzelnen Vorsorgedokumente betreffen, sind in den jeweiligen Stichwörtern zu finden. Im Folgenden werden nun die Informationen aufgeführt, welche alle Vorsorgedokumente gleichermassen betreffen.

Fürs Erstellen sämtlicher Vorsorgedokumente gilt, dass diese während voller Urteilsfähigkeit (zumindest in diesem Bereich, Art. 16 ZGB, s. Stichwort: Erwachsenenschutz) erstellt werden müssen. Steht die Urteilsfähigkeit in Frage, ist empfohlen diese Zweifel mittels eines ärztlichen Zeugnisses aus dem Weg zu räumen, damit die Vorsorgedokumente erstellt werden können und schliesslich , im Fall einer Urteilsunfähigkeit, auch Gültigkeit bekommen. Eine andere Möglichkeit ist, das Dokument bei einem Notar/einer Notarin erstellen bzw. öffentliczh beglaubigen zu lassen (gilt für den Vorsorgeauftrag). Wird dies nicht gemacht und eine Urteilsfähigkeit wird bei Erstellen der Dokumente von den Behörden bezweifelt, kann es zur Folge haben, dass bei Anwendung/Validierung eines Dokuments dieses von den Behörden als rechtsungültig beurteilt wird und die Massnahmen der Behörde treten in Kraft. Weitere Formvorschriften zu den einzelnen Vorsorgedokumenten werden in den jeweiligen Stichwörtern aufgeführt.

Zudem muss jedes Vorsorgedokument Ort, Datum und Unterschrift enthalten, um bei Eintritt der Urteilsunfähigkeit Rechtskraft zu erhalten.

Wurden Vorsorgedokumente erstellt, ist es wichtig, dass diese Originale an einem Ort aufbewahrt werden, der zugänglich und den nahestehenden Personen bekannt ist. Es wird Folgendes empfohlen:

  • Alle wichtigen Dokumente an einem fixen Ort zugänglich (nicht eingeschlossen) aufzubewahren
  • Den Beteiligten/Angehörigen eine Kopie der Dokumente abgeben
  • Einige Dokumente können an offiziellen Stellen hinterlegt werden, dies gibt zusätzliche Sicherheit (s. Stichwörter zu den einzelnen Vorsorgedokumenten)
  • Hilfreich ist es, einen Notfallausweis bzw. einen persönlichen Vorsorgeausweis auf sich zu tragen, worauf vermerkt ist, dass Vorsorgedokumente (insbesondere die Patientenverfügung) bestehen

Detaillierte Ausführungen zum Aufbewahrungsort der einzelnen Vorsorgedokumente sind in den jeweiligen Stichwörtern zu finden.

Im fortgeschrittenen Alter kann sich die persönliche/gesundheitliche Situation rasch verändern. Es kann aber auch sein, dass die Situation der Angehörigen bzw. Vertrauenspersonen oder die Beziehung zu ihnen sich verändert. Deshalb wird empfohlen, alle erstellten Vorsorgedokumente in regelmässigen Abständen (z.B. jährlich) zu überprüfen und allfällige Änderungen vorzunehmen. Diese Änderung muss klar ersichtlich sowie mit neuem Datum und erneuter Unterschrift versehen sein. Alte Exemplare müssen vernichtet werden, damit nicht verschiedene Exemplare im Umlauf sind. Die Änderungen/Anpassungen/Ergänzungen müssen wiederum allen Vertrauenspersonen/öffentlichen Stellen mitgeteilt werden, die über eine Kopie der Vorsorgedokumente verfügen.

4.  Docupass

Der Docupass ist das Produkt der Pro Senectute für die Vorsorgeregelung. Die darin enthaltenen Formulare und Vorlagen entsprechen den aktuellen gesetzlichen Vorgaben. Der Docupass ermöglicht, persönliche Anliegen, Bedürfnisse, Forderungen und Wünsche im Zusammenhang mit Krankheit, Pflege, Sterben und Tod individuell und umfassend festzuhalten. Der Docupass ist modular aufgebaut und besteht aus den folgenden Elementen:

  • Begleitbroschüre mit Informationen zum Ausfüllen der Dokumente sowie Erklärung zum Testament
  • Vorsorgeauftrag
  • Patientenverfügung
  • Anordnung für den Todesfall
  • Persönlicher Vorsorgeausweis

Der Docupass wird regelmässig aktualisiert und deren Inhalt den neusten gesetzlichen Bestimmungen / Entwicklungen angepasst. Es sind viele ältere Versionen im Umlauf, welche nachwievor ihre Gültigkeit haben. Es muss kein neues Exemplar gekauft werden. Die Sozialarbeiter/innen sind angehalten das Klientel über Änderungen/Anpassungen zu informieren. Kopien aus neueren Versionen sollen zurückhaltend und nur in Ausnahmefällen der Klientel abgegeben werden.

Der Docupass kann bei jeder Beratungsstelle von Pro Senectute Kanton Bern gekauft oder online bestellt werden (s. Links: Docupass). Der Preis beläuft sich auf Fr. 19.- pro Exemplar zzgl. allfällige Versandkosten. Für Fr. 10.- können einzelne Vorsorgedokumente des Docupasses bei Pro Senectute Schweiz bestellt werden. Es ist auch auf den Beratungsstellen von Pro Senectute Kanton Bern möglich, einzelne Vorlagen aus dem Docupass zu bestellen, allerdings nicht alle. Deshalb ist es sinnvoll, diesbezüglich auf Pro Senectute Schweiz hinzuweisen

Das Ausfüllen der Dokumente ist anspruchsvoll. Die Betroffenen werden mit vielen Fragen konfrontiert und müssen diverse Entscheidungen treffen. Die Fachpersonen der Sozialberatung unterstützen bei der Klärung von Fragen und machen auf rechtliche Aspekte aufmerksam. Die Aufgabe der Sozialberatung von Pro Senectute ist es zudem, Informationen der Klientel weiterzugeben und diese auf den Stand zu bringen, dass sie ihre Selbstbestimmung wahrnehmen kann und dazu befähigt ist zu entscheiden, welche Vorsorgedokumente sie erstellen will. Es ist auch wichtig, dass die Sozialberatung der Pro Senectute darauf hinweist, dass es i.d.R. pro Vorsorgedokument verschiedene Vorlagen von verschiedenen Organisationen gibt und es sich je nach Situation lohnt, diejenige Vorlage zu verwenden, welche der eigenen Situation am besten entspricht oder die einem am meisten anspricht. Allenfalls kann auch der Bezug zu einer Organisation, welche die Vorlage erstellt hat, ausschlaggebend für die Wahl der Vorlage sein.

Das Zwäg ins Alter (ZiA) bietet zudem umfassende Gesundheitsberatungen zum Ausfüllen der Patientenverfügung an (s. Stichwort: Patientenverfügung).

Die Docupass-Beratung ist für Senioren/Seniorinnen im Referenzalter (65 Jahre) unentgeltlich. Ist der/die Klient/in jünger, kann eine Beratung entgeltlich angeboten werden. Über die Kosten sollen die Betroffenen vorgängig informiert werden. Die Kosten werden pro 15 Minuten gerechnet (s. Merkblätter: Infoblatt Docupass-Beratungen)

Personen ab dem Referenzalter
(ab 65 Jahre)

  • unentgeltlich
Personen vor dem Referenzalter
( jünger als 65 Jahre)
  • pro 1/4 Stunde Fr. 30.-
  • pro Stunde Fr. 120.-


Die Rechnungsstellung wird über die Buchhaltung abgewickelt. Die/der Sozialarbeitende infomiert die Buchhaltung per Mail (buchhaltung@be.prosenectute.ch) über Beratungsdatum und -zeit sowie Name und Adresse der Klientel.

Der Vorsorgeausweis ist in Papierform und kann dank seinem Kreditkarten-Format einfach und bequem ins Portemonnaie gesteckt werden. Im Ernstfall/Notfall informiert dieser, wer kontaktiert werden soll und wo sich die Original-Vorsorgedokumente befinden. Wenn möglich sollte der Ausweis mitgetragen werden.

Auf der Extranet-Seite von Pro Senectute (s. Links: Docupass Extranet) sind Informationen zu finden, die den Docupass vervollständigen und der Klientel beim Ausfüllen der einzelnen Dokumente helfen. Sie können für die Beratung ausgedruckt und bei Bedarf der Klientel abgegeben werden.

5.  Hinterlegung der Vorsorgedokumente online

Das Angebot an Online-Plattformen zur elektronischen Hinterlegung von Vorsorgedokumenten wie die Patientenverfügung oder die Anordung für den Todesfall steigt stetig. Pro Senectute prüft fortlaufend verschieden Lösungen. Diese sind auf der Website www.prosenectute.ch/e-docupass abrufbar. Zwei Anbieter werden in Kap. 5.2 und 5.3 erwähnt.

Das elektronische Patientendossier EPD ist eine Sammlung persönlicher Dokumente mit Informationen rund um die eigene Gesundheit. Über eine sichere Internetverbindung sind diese Informationen sowohl für betroffene Personen als auch ihre Gesundheitsfachpersonen jederzeit abrufbar. Das Ziel des EPD ist im Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier EPDG festgehalten (Art. 1 Abs. 3 EPDG, s. Links: EPDG). Weiterführende Informationen und Dokumente zum Ausdrucken sind im Extranet zu finden (s. Links: EPD).

Diese Option ist in erster Linie eine digitale Ablage der physischen Dokumente in PDF-Form. Das PDF-Dokument kann sowohl ein handschriftliches Dokument sein als auch mit einer Vorlage erstellt werden. Sollten an den Originaldokumenten Änderungen vorgenommen werden, müssen die aktualisierten Dokumente jeweils neu hochgeladen werden, damit sich immer die aktuellste Version in der elektronischen Ablage befindet. Weitere Informationen sind auf der Internetseite von Evita (s. Links: Evita) zu finden. Die Zusammenarbeit mit Pro Senectute wird aufgelöst, die Plattform evita.ch bleibt jedoch weiterhin bestehen und kann genutzt werden (s. Links).

Im Evita Gesundheitsdossier können zudem relevante Fitness- und Gesundheitsdaten gespeichert und verwaltet werden, wie z.B. Impfausweis, verordnete Medikamente, Behandlungen oder Allergien zusammen mit den entsprechenden Unterlagen wie Röntgenbilder. Die regelmässig gemessenen Werte des Blutdrucks, Pulses, Gewichts oder BMI können ebenfalls erfasst und hinterlegt werden.

Mit einem digitalen Assistenten kann das Vorsorgedossier direkt Schritt für Schritt online ausgefüllt werden. Gleichzeitig können die Antworten direkt auf der Plattform verwaltet und beispielsweise Informationen aus der Patientenverfügung auch für ein Notfallblatt verwendet werden. Durch die Hilfestellung mit dem Assistenten geht keine Frage beim Ausfüllen verloren. Fragen müssen jeweils nur einmal beantwortet und können jederzeit und nach Lebenssituation wieder angepasst werden. Das persönliche Vorsorgedossier gilt als verbindlich, wenn kein anderes physisches Rechtsdokument vorliegt. Auch Tooyoo ersetzt die handschriftliche Papierversion mit Datum und eigenhändiger Unterschrift von Vorsorgeauftrag und Testament nicht. Eine gedruckte Version muss auch notariell beglaubigt werden. Weitere Informationen sind auf der Internetseite von Tooyoo (s. Links: Tooyoo) zu finden.

Es können alle Funktionen unverbindlich getestet werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass man sich registriert. Auch müssen bereits für das Testen der Funktionen Angaben von Personen, welche man evtl. oder sicher einsetzen möchte, erfasst werden.

Es wird zweischen kostenlosen und kostenpflichtigen Dienstleistungen unterschieden.

Kostenlos sind:

  • Online-Erstellung von PV, VA und Testament mit Assistenten
  • Hinterlegung von Verfügungen und med. Informationen


Kostenpflichtig sind:

  • Hinterlegung persönliches Vorsorgedossier
  • Interaktice Checkliste und Schritt für Schritt Begleitung für Vertrauenspersonen
  • Wünsche zur Bestattung - diese werden nach dem Tod (nach Eingang und Validieren von Sterbeurkunde) freigeschaltet
  • Verwaltung von Erbschaft
  • Automatische Löschung von Konten in sozialen Medien
  • Regelung von digitalem Nachlass

Änderungen im Stichwort

Datum Inhalt Visum