Sterbehilfe

 

17.09.2024/cst

Zusammenfassung

Die Schweiz ist einzigartig in ihren Angeboten und Möglichkeiten in Bezug auf Sterbehilfe, da sie eines der wenigen Länder weltweit ist, die sowohl assistierten Suizid als auch, unter bestimmten Umständen, die passive Sterbehilfe erlaubt. In diesem Stichwort werden Begriffsdefinitionen und rechtliche Rahmenbedingungen erläutert. Die verschiedenen Sterbehilfe-Organisationen werden vorgestellt sowie die Voraussetzungen und die Finanzierung des assistierten Suizids erläutert. Ein besonderer Fokus wird auf das Sterbefasten gerichtet und die medizinischen, gesellschaftlichen und ethischen Aspekte beleuchtet.

1. Grundlagen

In der Schweiz steigt die Zahl der Menschen, die mit einer Sterbehilfe aus dem Leben scheiden, kontinuierlich an. Im Jahr 2022 waren es fast 1'600 Schweizer/innen. Lediglich 12% waren unter 65 Jahren, rund 88% waren über 65jährig. Rund zwei Drittel litten an einer oder mehreren Erkrankungen (s. Quellen: Sterbehilfe in der Schweiz: ein Überblick). Das Durchschnittsalter der Menschen, die im Jahr 2022 mit einem assistierten Suizid starben, liegt bei 79.6 Jahren.

Rund 76% der assistierten Suizide fanden in den eigenen vier Wänden statt und rund 18.6% in Heimen. Die meisten entscheiden sich fürs Sterben Zuhause, die assistierten Suizide in Pflegeheimen und Spitälern steigt aber stetig an (s. Quellen: Schweizer Sterbehilfe-Organisationen vermelden Mitgliederrekorde). Die Heime befinden sich im Spannungsfeld zwischen Selbstbestimmung ihrer Bewohnenden und gesellschaftlich-ethischen Aspekten (s. Kap. 2 und Kap. 5.2).

Bevor über Sterbehilfe diskutiert werden kann, ist es wichtig, die Begrifflichkeiten zu klären und zu definieren (s. Quellen: Die verschiedenen Formen der Sterbehilfe und ihre gesetzliche Regelung).

Direkte aktive Sterbehilfe (Euthanasie)
Unter Euthanasie ist die gezielte Tötung eines Menschen zur Verkürzung des Leidens zu verstehen. Ein/e Arzt/Ärztin oder eine Drittperson verabreicht dem/der Patienten/Patientin absichtlich eine Spritze oder Ähnliches, die/das direkt zum Tod führt. Auch wenn dies auf ausdrücklichen Wunsch einer Person geschieht, ist die aktive Sterbehilfe in der Schweiz verboten und strafbar (siehe Kap. 2).

Indirekte aktive Sterbehilfe
Zur Linderung von Leiden werden Mittel eingesetzt, deren Nebenwirkungen die Lebensdauer allenfalls herabsetzen. Der möglicherweise verfrüht eintretende Tod wird in Kauf genommen. Diese Art der Sterbehilfe ist im Strafgesetzbuch nicht als strafbar aufgeführt und somit grundsätzlich erlaubt. Gleichzeitig betrachten die Richtlinien über die Sterbehilfe der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften SAMW diese Form der Sterbehilfe als zulässig.

Passive Sterbehilfe
Passive Sterbehilfe bedeutet, dass auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichtet oder solche abgebrochen werden, um den natürlichen Todeseintritt zuzulassen. Auch diese Form der Sterbehilfe ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, wird aber als erlaubt angesehen, wenn es dem ausdrücklichen Willen des/der Patienten/in entspricht. Unter der passiven Sterbehilfe wird auch das Sterbefasten subsumiert (s. Kap. 5.1).

Dem gegenüber stehen palliativ-medizinische Betreuungsmassnahmen, deren Behandlungen darauf abzielen, die Lebensqualität von schwerkranken und sterbenden Personen zu erhöhen (s. Stichwort: Palliativcare).

Assistierter Suizid, Suizidhilfe, Beihilfe zum Freitod
Unter den aufgeführten Begrifflichkeiten ist dasselbe zu verstehen, im Folgenden wird der Begriff des assistierten Suizids verwendet. Hierbei wird einer Person, die sterben möchte, Hilfe geleistet, um den eigenen Tod herbeizuführen, typischerweise durch Bereitstellung eines tödlichen Medikaments, das die Person selbst einnimmt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind in Kap. 2 beschrieben. Die Voraussetzungen für den assistierten Suizid stehen im Kap. 4.

 

2. Rechtliche Rahmenbedingungen

Das Tötungsverbot gilt in der Schweiz uneingeschränkt. Die direkte aktive Sterbehilfe, also die gezielte Tötung eines Menschen zur Verkürzung seines Leidens, ist verboten. Im Strafgesetzbuch ist festgehalten, dass auch wer aus achtenswerten Beweggründen wie z.B. Mitleid und auf ausdrücklichen Wunsch der schwerkranken Person diese tötet, bestraft wird (Art. 114 StGB).

Das Strafgesetzbuch regelt die Beihilfe zum Selbstmord wie folgt: Wer aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbstmorde verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet, wird, wenn der Selbstmord ausgeführt oder versucht wurde, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe (…) bestraft (Art. 115 StGB).

Diese Regelung beinhaltet, dass der assistierte Suizid nur dann unter Strafe steht, wenn er aus selbstsüchtigen Motiven erfolgt. In der Umkehrfolge bedeutet dies, dass Sterbehilfe aus uneigennützigen Gründen erlaubt ist (s. Quellen: Sterbehilfe in der Schweiz: ein Überblick). Der assistierte Suizid in der Schweiz ist somit gesetzlich nicht explizit geregelt. Vorstösse beim Bundesrat zur Regelung des assistierten Suizids scheiterten, der Bundesrat verzichtete letztmalig 2011 auf eine ausdrückliche Regelung der organisierten Suizidhilfe im Schweizer Strafrecht (s. Quellen: Sterbehilfe).

Ein Selbstmord, von einer urteilsfähigen Person aus eigenen Händen begangen, ist im Strafgesetzbuch nicht unter Strafe gestellt und somit rechtlich erlaubt. Diese Rahmenbedingungen nutzen die Sterbehilfeorganisationen. Um einen assistierten Suizid somit gesetzlich erlaubt durchzuführen, müssen zusammenfassend folgende Rahmenbedingungen erfüllt sein:

  • Der assistierte Suizid ist nur erlaubt, wenn er von der sterbewilligen Person eigenständig durchgeführt wird, d.h. sie muss das tödliche Medikament selbst einnehmen.
  • Der/die Helfer/in darf dabei nicht aus eigennützigen Motiven handeln.
  • Ärztliche Mitwirkung ist in der Schweiz nicht zwingend notwendig, allerdings wird in der Praxis meist ein ärztliches Gutachten eingeholt, das die Urteilsfähigkeit und die Freiwilligkeit der Entscheidung der/des Sterbewilligen bestätigt.

Kanton Bern
In der Schweiz gibt es kantonale Unterschiede hinsichtlich der Regelungen für assistierten Suizid. Während in Kantonen wie Genf und Wallis staatlich finanzierte Institutionen den assistierten Suizid zulassen müssen, ist dies in anderen Kantonen den Heimen und Spitälern selbst überlassen. Somit müssen in einigen Kantonen Personen, die assistierten Suizid in Anspruch nehmen wollen, ihre Einrichtung verlassen, während dies in anderen Kantonen in der Institution möglich ist.

Im Kanton Bern ist die Regelung zum assistierten Suizid ähnlich wie in anderen deutschsprachigen Kantonen der Schweiz. Alters- und Pflegeheime haben grundsätzlich die Freiheit, selbst zu entscheiden, ob sie assistierten Suizid zulassen oder nicht. Es gibt jedoch kein kantonales Gesetz, das diese Praxis zwingend vorschreibt, wie z.B. in den Kantonen Genf und Wallis.

In der Praxis bedeutet dies, dass einige Heime im Kanton Bern assistierten Suizid durch Organisationen erlauben, während andere dies aufgrund von ethischen oder religiösen Überzeugungen ablehnen. Die Verfügbarkeit von assistierten Suizidmöglichkeiten variiert im Kanton Bern demzufolge je nach Institution. Der Kanton Bern verzichtet trotz Vorstoss zur Vereinheitlichung der Regelungen in öffentlichen Spitälern und Heimen auf eine verpflichtende Regelung (s. Quellen: Berner Nein zur Regelung von Suizidhilfe in Heimen).

Um eine Sterbehilfeorganisation zu gründen, müssen Rechtsform, Richtlinien und ethische Standards, Mitgliederwesen, ärztliche Mitwirkung und Zugang zu Sterbemitteln geklärt sein. In der Regel sind die Sterbehilfeorganisationen als Vereine gegründet. Sie unterstützen Menschen, die aufgrund einer Krankheit oder unzumutbarem Leid ihren Sterbewunsch äussern. Sie prüfen, ob die gesetzlichen Anforderungen für den assistierten Suizid erfüllt sind und helfen den Sterbewilligen, ihren assistierter Suizid begehen zu können. Die Voraussetzungen für einen assistierten Suizid sind in Kap. 4 aufgeführt. 

Insgesamt gibt es sieben Sterbehilfeorganisationen in der Schweiz (s. Quellen: Sterbehilfe in der Schweiz: ein Überblick). Im Folgenden werden sie kurz vorgestellt. Die Aufzählung ist nicht abschliessend. Die Details der einzelnen Organisationen sind ihrer jeweiligen Webseite zu entnehmen.

Exit
In der Deutschschweiz ist Exit die grösste Organisation zur Begleitung von assistierten Suiziden. Ihre Richtlinien und Tätigkeiten sind klar und transparent kommuniziert und aufgeführt. Exit begleitet nur Vereinsmitglieder sowie Personen mit Schweizer Bürgerrecht oder mit Wohnsitz in der Schweiz. Um einen assistierten Suizid anzumelden, ist der Beitritt zum Verein zwingende Voraussetzung. Abklärungen zu einem assistierten Suizid werden von Exit frühestens 90 Tage nach der Mitgliedschaft aufgenommen. Langjährige Mitglieder haben Vorrang vor kurzfristig beigetretenen Mitgliedern. Die Mitgliedschaftsgebühr beträgt Fr. 45.- pro Jahr (Stand 2024), auf Lebenszeit kostet sie Fr. 1'100.-.

Exit Suisse Romande
In der Westschweiz ist Exit Suisse Romande, Association pour le Droit de Mourir dans la Dignité, das Pendant zur Deutschschweizer-Organisation.

Dignitas
Dignitas ist in der Schweiz und international im Bereich Sterbehilfe tätig. Im Gegensatz zu Exit betreut Dignitas auch Ausländer/innen mit Sterbewunsch und Sterbehilfe. Die Jahresmitgliedschaft beträgt Fr. 80.- bei einer einmaligen Eintrittsgebühr von Fr. 220.- (Stand 2024).

Lifecircle  und  Eternal SPIRIT
Lifecircle ist ein Verein zur Durchsetzung der Selbstbestimmung und mit der vereinseigenen Stiftung Eternal SPIRIT besteht die Möglichkeit von assistierten Suiziden. Um eine solche in Anspruch zu nehmen, muss man Mitglied von Lifecircle sein. Lifecircle nimmt auch Ausländer/innen an, diese müssen zwingend mindestens zwei ausführliche Gespräche mit einem/einer Schweizer Arzt/Ärztin führen. Schweizer/innen benötigen vorgängig eine Beurteilung vom/von der Hausarzt/-ärztin.

Pegasos Swiss Association
Pegasos ist ein Verein für selbstbestimmtes freiwilliges Ausscheiden aus dem Leben und begleitet international Menschen mit dem Wunsch nach assistiertem Suizid. Die Anmeldung kann online erfolgen und wird vom Verein einzeln geprüft.

Ex-International
Die Organisation gehört mit ca. 700 Mitgliedern, die hauptsächlich aus Deutschland und zum Teil aus der Schweiz stammen, zu den kleinen Sterbehilfe-Organisationen. Sie sind wenig transparent und veröffentlichen nichts über ihre Abläufe oder Statistiken, auch auf der Webseite und über die Medien ist kaum etwas über die Organisation zu erfahren.

Suizidhilfe Schweiz, mit besonderem Fokus auf Menschen mit psychischen Leiden, wurde 2021 aufgelöst. Der Verein erscheint aber noch in den Auflistungen.

4. Assistierter Suizid

Menschen mit einem Todeswunsch, einer unheilbaren Erkrankung, die unter starken körperlichen Schmerzen leiden und urteilsfähig sind, können bei einer Sterbehilfsorganisation Antrag auf assistierten Suizid stellen. Alle Voraussetzungen müssen für den assistierten Suizid in der Regel durch mindestens ein ärztliches Gutachten bestätigt werden.

Die betroffene Person muss gewisse Voraussetzungen erfüllen, um den assistierten Suizid zu erhalten (s. Quellen: Voraussetzungen einer Freitodbegleitung mit Exit):

  • Urteilsfähigkeit: Die betroffene Person weiss, was sie tut und ist in der Lage, ihren Wunsch zu verstehen und selber zu kommunizieren. Sie kann ihren eigenen Willen formulieren, ihre Situation nachvollziehbar darlegen und rational bewerten (s. Kap. 4.2).
  • Wohlerwogenheit: Die betroffene Person handelt nicht aus dem Affekt, kennt Alternativen und hat sich ihren Wunsch mit allen Konsequenzen gut überdacht.
  • Konstanz: Die betroffene Person hegt einen dauerhaften Sterbewunsch.
  • Autonomie: Die betroffene Person wird nicht von Dritten, Angehörigen oder von aussen beeinflusst. Sie bekräftigt ihren eigenen selbstständigen Entscheid.
  • Eigenständigkeit: Die betroffene Person übt den Suizid eigenständig aus. Die Einnahme des tödlichen Medikaments muss zwingend von der betroffenen Person selbst vorgenommen werden.

Die betroffene Person muss Mitglied in einer Sterbehilfsorganisation sein. Bei Exit, der grössten Sterbehilfeorganisation in der Schweiz, ist dies Voraussetzung für eine Sterbehilfebegleitung. Die Abklärungen werden frühestens 90 Tage nach einem Beitritt aufgenommen und bisherige Mitglieder haben Vorrang vor neueren Mitgliedern. Nach Möglichkeit nimmt die betroffene Person telefonisch Kontakt auf mit der Sterbehilfeorganisation.

Die Sterbehilfeorganisation teilt der betroffenen Person mit, welche Unterlagen von der behandelnden Fachperson oder von/von der Hausarzt/Hausärztin einzureichen ist. Nach Eintreffen der Unterlagen treffen sich die Sterbehilfeorganisation und die betroffene Person. Es ist erwünscht und möglich, dass an diesem Gespräch auch die Angehörigen teilnehmen. Im gemeinsamen Gespräch wird die Situation geklärt und Fragen, Ängste und Anliegen thematisiert. Zudem werden Alternativen zum assistierten Suizid aufgezeigt. Es wird noch einmal der Wunsch der betroffenen Person nach dem assistierten Suizid abgehört und die Voraussetzungen für den assistierten Suizid abgeglichen. Sind die Voraussetzungen erfüllt, wird entweder über den/die Hausarzt/-ärztin oder interner Ärzteschaft das Rezept für das Sterbemittel verlangt (s. Quellen: Was ist eine Freitodbegleitung?).

Damit die Einnahme eines Sterbemittels (meist Natrium-Pentobarbital) möglich ist, bedarf es deren ärztliche Verschreibung. Es benötigt daher eine medizinische Fachperson, die ein entsprechende Rezept für das Präparat ausstellt. Die Ärztinnen und Ärzte haben keinen direkten Einfluss auf die Einnahme. Von grosser Bedeutung ist die umfassende Dokumentation der Vorgänge rund um den medizinisch assistierten Suizid. Die Fachpersonen sichern sich so vor strafrechtlicher und/oder (medizin-)ethischer Verantwortung ab. Die zu dokumentierenden Beschreibungen müssen unter anderem die zu beurteilende Frage der Uneigennützigkeit (s. Kap. 2) belegen können (s. Quellen: Unter welchen Voraussetzungen ist Sterbehilfe erlaubt?).

Für Ärzte und Ärztinnen birgt der assistierte Suizid trotz Legalität ein gewisses Strafrisiko. So wurden bereits mehrere Fachpersonen aus Sterbehilfsorganisationen angeklagt. Die Dachgesellschaft der Schweizer Ärzteschaft FMH hat im Jahr 2022 die Richtlinien verschärft. Sie erlauben keine Suizidhilfe mehr für Menschen mit gutem Gesundheitszustand. Die Richtlinien sind zwar nicht rechtsverbindlich, aber Fachpersonen riskieren bei Missachtung Sanktionen oder den Entzug ihrer ärztlichen Zulassung (s. Quellen: Schweizer Sterbehilfe-Organisationen vermelden Mitgliederrekorde).

Richtlinien zum Umgang mit Sterben und Tod der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW)
Die Richtlinien unterscheiden zwischen verbotenen Handlungen und allgemein akzeptierten, aber diskutierten Handlungen. Verboten ist die aktive Tötung eines Menschen auch auf dessen ausdrücklichen Wunsch und Verlangen. Hingegen ist die passive Sterbehilfe erlaubt und zulässig. Ist ein Mensch schwer krank, sein Leiden führt in der Zukunft voraussichtlich zum Tod und er/sie hat in seiner Patientenverfügung das Unterlassen von lebenserhaltenden Massnahmen angeordnet, so darf der Arzt/die Ärztin dem Wunsch zum Sterben nachkommen. In dem Sinne sind auch palliativmedizinische Behandlungen möglich, die unter Umständen die Lebenszeit verkürzen (s. Quellen: Unter welchen Voraussetzungen ist Sterbehilfe erlaubt?).

Die Richtlinien der SAMW definieren die Voraussetzungen, unter denen Ärzte und Ärztinnen den assistierten Suizid begleiten dürfen. In der Schweiz sind Ärzte nicht verpflichtet, an einem assistierten Suizid mitzuwirken. Einige Mediziner lehnen dies aus ethischen Gründen ab. Sie können nicht dazu gezwungen oder verpflichtet werden. "Suizidhilfe ist keine medizinische Handlung, auf die Patienten einen Anspruch erheben könnten, sie ist jedoch eine rechtlich zulässige Tätigkeit" (s. Quellen: SAMW-Richtlinien).

Die medizinischen Fachpersonen sind dazu angehalten, ihre Patienten/innen bestmöglich und konstruktiv sowie möglichst wertfrei zu beraten. Ist eine medizinische Fachperson zur Verschreibung eines Sterbemittels bereit, muss sie verschiedene Voraussetzungen prüfen. In den meisten Kantonen gibt es dazu spezifische Vorschriften (s. Quellen: Unter welchen Voraussetzungen ist Sterbehilfe erlaubt?).

Die Voraussetzungen, um bei psychischen Leiden einen assistierten Suizid ausüben zu können, sind streng. Es bedingt zwei unabhängige Fachgutachten und bei Bedarf zudem die Beurteilung durch eine Ethikkommission. Kann die Frage der Urteilsfähigkeit und der Voraussetzungen nicht eindeutig geklärt werden, wird eine Freitodbegleitung abgelehnt. So existiert auch der eigens für psychische Erkrankungen gegründete Verein Suizidhilfe Schweiz seit 2021 nicht mehr.

Demenzerkrankungen nehmen in der Schweiz zu. Aufgrund der strengen Voraussetzungen (s. Kap. 4.1) ist bei einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung keine Freitodbegleitung mehr möglich, da die betroffene Person nicht mehr urteilsfähig ist. Ein assistierter Suizid bei einer Demenzerkrankung muss zu einem Zeitpunkt erfolgen, in der die betroffene Person noch urteilsfähig ist. Der Entscheid und die Ausführung liegt in dem Sinne in einem Zeitraum, in dem das Leben der betroffenen Person noch eine gewisse Qualität aufweist und häufig noch als lebenswert betrachtet wird. Exit und weitere Sterbehilfeorganisationen begleiten auch Demenzerkrankte Personen in den Freitod, sofern die Voraussetzungen (s. Kap. 4.1 und 4.2) erfüllt sind.

Die Sterbehilfeorganisation Exit setzt sich für assistierten Suizid im Alter ein. Immer mehr Menschen erreichen ein hohes Alter und sind sich in Zukunft gewohnt, selbstbestimmt über sich entscheiden zu können. Mit der Hochaltrigkeit geht häufig eine Alterspolymorbidität einher. Die betroffenen Personen sind nicht tödlich erkrankt, leiden aber an verschiedenen, die Lebensqualität beeinträchtigenden Erkrankungen. Exit hat ihre Statuten im Jahr 2022 an diese Situation angepasst. Sie unterstützen und ermöglichen den assistierten Suizid bei Leiden im und am Alter unter Berücksichtigung der psychosozialen Aspekte (s. Quellen: Exit).

Die meisten Sterbehilfeorganisation finanzieren sich über ihre Mitgliedergebühren, die jährlich einbezahlt werden.

Die Vorabklärungen, Abklärungen, Arzt- und Rezeptkosten sowie die Personalkosten beim assistierten Suizid werden der betroffenen Person oder ihren Angehörigen in Rechnung gestellt. Da die Sterbehilfeorganisationen gemeinnützig sind und sein müssen (s. Kap. 2), sind sie nicht gewinnorientiert. Die in Rechnung gestellten Kosten differenzieren je nach Sterbehilfeorganisation und der individuellen Situation stark. Exit berücksichtigt zum Beispiel die Dauer der Vereinsmitgliedschaft. Für einen kostenlosen assistierten Suizid muss die betroffene Person mindestens 3 Jahre Mitglied bei Exit sein. Ist die Mitgliedschaft kürzer, fallen Kosten zwischen Fr. 1'100.- und Fr. 2'700.- an. Bei Dignitas bezahlt die betroffene Person ungefähr Fr. 7'500.- (s. Quellen: Was kostet Suizidhilfe und wer bezahlt sie?).

Die Kosten vom assistierten Suizid werden von keiner schweizerischen Sozialversicherung übernommen. Sie sind auch nicht im Leistungsumfang der Krankenversicherung oder der Unfallversicherung enthalten. Bei Finanzierungsproblemen bieten die meisten Sterbehilfeorganisationen einzelfallbezogene Ermässigungen an.

Über die Individuelle Finanzhilfe (s. Stichwort: Gesuchswesen) kann bei Pro Senectute ebenfalls eine Beteiligung an den Kosten beantragt werden.

Da der assistierte Suizid als aussergewöhnlicher Todesfall gilt, muss nach Eintreten des Todes die Nummer 117 angerufen werden. Bei einem aussergewöhnlichen Todesfall besteht in der Schweiz Meldepflicht, was eine polizeiliche Untersuchung zur Folge hat. Die Untersuchung dient dazu, sicherzustellen, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten wurden und keine äusseren Einflüsse sowie eigennützige Motive im Spiel waren.

Die eintreffenden Behörden gehen in der Regel rücksichtsvoll mit der Situation um (s. Links: Wie fühlt es sich an, jemanden in den Tod zu begleiten?). Es kommen Polizei und Gerichtsmedizin vorbei, um eine juristische Untersuchung vorzunehmen. Es gibt eine Inspektion des Raums sowie eine Befragung der anwesenden Personen. Der Freitod wird auch unter Beizug einer Sterbehilfeorganisation polizeilich nach ihrer Gesetzmässigkeit überprüft und auf allfälligen Missbrauch untersucht (s. Quellen: "Ich will niemanden umbringen").

 

5. Sterbefasten und ethische Aspekte

In diesem Kapitel wird besonders dem Sterbefasten nachgegangen. In einem zweiten Teil werden kurz gesellschaftliche und ethische Aspekte des assistierten Suizids im nationalen und internationalen Kontext beleuchtet.

Unter Sterbefasten versteht sich der freiwillige Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit, fachsprachlich FVNF genannt. Der betroffenen Person steht damit eine selbstbestimmte und autonome Form der passiven Sterbehilfe zur Verfügung, um den Sterbeprozess ohne medizinische Hilfe oder Medikamente zu beschleunigen und das eigene Leben vorzeitig zu beenden. Es handelt sich dabei um eine bewusst gewählte Entscheidung, bei der die betroffene Person auf Essen und Trinken verzichtet, um den Tod herbeizuführen (s. Quellen: Sterbefasten).

Sterbefasten und deren Entscheid setzt voraus, dass die betroffene Person urteilsfähig und mental stabil ist. Da Essen und Trinken meist auch einen gesellschaftlichen Aspekt besitzt, ist das FVNF eine grosse Herausforderung für die Angehörigen. Über 90% der betroffenen Personen, die sich für FVNF entscheiden, sind älter als 66 Jahre. Unabhängig von bestehenden Erkrankungen sind die betroffenen Personen urteilsfähig und grundsätzlich in der Lage, selbstständig zu essen und zu trinken (s. Quellen: Sterbefasten).

Der Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit führt in der Regel nach ein bis zwei Wochen zum Tod. Die Dauer ist abhängig von den körperlichen Bedingungen der Person und ihrem Gesundheitszustand. Zu Beginn wirkt sich der Nahrungsentzug nicht wesentlich auf die Person aus, das Hungergefühl ist meist gut tolerierbar. Das Hungergefühl verschwindet nach einigen Tagen, unangenehmer wirkt sich das Durstgefühl aus, das während des gesamten Verlaufs zu spüren bleibt. Mit jedem weiteren Tag ohne Essen und Trinken wird der betroffene Körper schwächer. Es fällt schwerer, sich im Bett aufzusetzen oder die Liegeposition zu verändern. Um die Lippen oder den Mund zu befeuchten, die Liegeposition zu verändern oder körperliche Bedürfnisse zu verrichten, benötigt die betroffene Person im Verlauf des Sterbefastens Pflege und Betreuung von Fachpersonen und/oder Angehörigen. Es macht daher Sinn, das Sterbefasten im Voraus zu planen (s. Quellen: Sterbefasten). Häufig sind Palliativdienste in den Prozess involviert, um die auftretenden Symptome zu lindern. Nebenwirkungen von FVNF können Kopfschmerzen, Muskelkrämpfe, Bauchschmerzen, Mundtrockenheit, Unruhe oder Ängste sein. Mit der Zeit schläft die betroffene Person immer mehr und tiefer, lässt sich kaum mehr wecken und ist nachhaltig geschwächt, was zur Bewusstlosigkeit führt. Letztlich führt der Nahrungs- und Flüssigkeitsentzug dazu, dass ein Nierenversagen und somit der Tod eintritt (s. Quellen: Selbst entscheiden).

Das Sterbefasten ist in der Schweiz erlaubt und nicht strafbar. Es zählt als passives Sterben, das keine aktive Handlung von Dritten erfordert. Anders als beim assistierten Suizid benötigt es keine ärztliche oder medikamentöse Abklärung und Intervention. Das Sterbefasten liegt rechtlich in einem Graubereich und wird von Sterbehilfeorganisation nicht begleitet. Häufig stehen die Organisationen jedoch beratend zur Verfügung.

Ethisch betrachtet wirkt Sterbefasten als akzeptierte Form des selbstbestimmten Sterbens. Es basiert auf der Autonomie und Selbstbestimmung jeder Person und respektiert den natürlichen Sterbeprozess ohne Beschleunigung und Mitwirkung von Dritten. Der Übergang ins Sterben und die nachfolgenden Abläufe geschehen auf natürlichem Weg. Das Sterbefasten wird in der Schweiz zunehmend als Alternative zum assistierten Suizid wahrgenommen. Es ist auch für Personen geeignet, die aus religiösen, ethischen oder persönlichen Gründen eine Medikamenteneinnahme vermeiden und eine sanfte Todesmöglichkeit möchten. Auch in Heimsituationen müssen sich Fachpersonen immer häufiger mit der Situation eines FVNF befassen. Es stellen sich wie beim assistierten Suizid zahlreiche ethische Fragen, die geklärt sein müssen. So kann es zum Beispiel sein, dass eine betroffene Person in seiner Patientenverfügung festgehalten hat, kein Essen und Trinken mehr erhalten zu wollen. Doch wie die Fachperson darauf reagieren soll, wenn die betroffene Person nachhaltig danach verlangt, ist kaum je Diskussionsthema (s. Links: Sterbefasten: Mit Verzicht das Leben beenden).

Der assistierte Suizid ist in der Schweiz Gegenstand intensiver ethischer Diskussionen. Befürworter argumentieren, dass es ein Menschenrecht sei, über das eigene Leben und Sterben zu entscheiden, besonders in Fällen von unheilbaren Krankheiten und unerträglichem Leiden. Sie betonen das Prinzip der Selbstbestimmung und der persönlichen Freiheit.

Gegner hingegen warnen vor möglichen Missbräuchen und argumentieren, dass vulnerable Personen – etwa ältere Menschen oder solche mit psychischen Erkrankungen – unter Druck gesetzt werden könnten, den assistierten Suizid zu wählen, weil sie sich als Last für ihre Angehörigen empfinden. Auch aus religiösen oder ethischen Gründen wird oft argumentiert, dass menschliches Leben unantastbar sei und nicht aktiv beendet werden dürfe.

Die Schweiz nimmt in der internationalen Debatte um Sterbehilfe eine besondere Rolle ein, da sie den assistierten Suizid unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Die rechtliche Lage, gepaart mit den ethischen Herausforderungen, macht das Thema zu einem fortwährenden Diskussionspunkt in der schweizerischen und internationalen Öffentlichkeit. Während die Möglichkeit, das eigene Leben selbstbestimmt zu beenden, von vielen als Zeichen der Freiheit und Würde angesehen wird, bleiben Fragen nach dem Schutz vulnerabler Personen, der Rolle von Ärzten und dem gesellschaftlichen Umgang mit Tod und Sterben zentral.

Die Schweiz hat durch ihre liberale Regelung des assistierten Suizids internationale Aufmerksamkeit erregt, da auch Menschen aus dem Ausland, insbesondere aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich, in die Schweiz reisen, um dort durch Organisationen wie Dignitas Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen. Dieser Sterbetourismus ist ebenfalls kontrovers und wird von vielen als problematisch angesehen, da er Bedenken hinsichtlich der Sorgfalt und des ethischen Umgangs mit Suizidfällen aufwirft.

 

Siehe auch

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