KESB und Verfahren
01.02.2021 / sbi
Letzte Anpassung: 24.04.2023 / sni
- Neu: Kap. 2.8 Verfahrenskosten
- Verschiebung der Nummerierungen in Kap. 2 (2.8 und 2.9)
Zusammenfassung
In diesem Stichwort werden die Aufgaben, die Organisation und das Verfahren im Erwachsenenschutz der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) gemäss dem Zivilgesetzbuch (ZGB) dargestellt. Zudem wird auf die Zusammenarbeit der Pro Senectute mit der KESB und den kommunalen Behörden wie Sozialdienst (SD) oder Erwachsenen- und Kindesschutzamt (EKS) eingegangen und die damit zusammenhängende Thematik der Selbstmeldungen/Gefährdungsmeldungen erläutert.
1. Organisation
Die KESB übernimmt alle Aufgaben, die im ZGB (Art. 360 bis 456), im Sterilisationsgesetz und im Kindes- und Erwachsenenschutzgesetz (KESG) festgehaltenen sind.
Bundesrechtlich vorgeschrieben ist die KESB eine Fachbehörde bestehend aus mindestens drei Mitgliedern (Art. 440 ZGB). Das Präsidium ist durch eine Person mit einer juristischen Ausbildung zu besetzen, die anderen Mitglieder müssen einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss in Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften, Sozialer Arbeit, Pädagogik, Psychologie oder in der Medizin aufweisen oder eine vergleichbare Ausbildung abgeschlossen haben. Die Mitglieder der kantonalen KESB arbeiten hauptberuflich im Voll- oder Teilzeitpensum, wobei mindestens ein Pensum von 50% gefordert ist. Die Mitglieder der burgerlichen KESB sind haupt- und nebenberuflich tätig (Art. 5 bis 9 KESG). Jede KESB verfügt über ein eigenes Behördensekretariat (Art. 13 KESG).
Innerhalb des Kantons Bern gibt es elf kantonale KESB, welche je für ein definiertes Einzugsgebiet zuständig sind und eine burgerliche KESB, welche sich um die Angehörigen der bernischen Burgergemeinden, Gesellschaften und Zünfte kümmert.
KESB |
Standort |
Anzahl Gemeinden |
Einwohner/innen (Stand 2010) |
Berner Jura |
Courtelary |
49 |
51‘539 |
Biel/Bienne |
Biel |
18 |
92‘457 |
Seeland |
Aarberg |
46 |
67‘812 |
Emmental |
Langnau |
42 |
93‘274 |
Oberaargau |
Wangen |
50 |
76‘957 |
Bern |
Bern |
1 |
123‘466 |
Mittelland-Nord |
Fraubrunnen |
45 |
138‘745 |
Mittelland-Süd |
Münsingen |
52 |
123‘233 |
Thun |
Thun |
35 |
103‘540 |
Oberland West |
Frutigen |
20 |
55‘984 |
Oberland Ost |
Interlaken |
29 |
46‘455 |
Tabellarische Übersicht der KESB im Kanton Bern von der Direktion für Inneres und Justiz (DIJ)
Im Kanton Bern besteht eine Geschäftsleitung, welche das gemeinsame Organ aller zwölf KESB darstellt und aus allen Präsidentinnen und Präsidenten der einzelnen KESB zusammengesetzt ist. Sie übernimmt die Koordination der Aufgabenerfüllung und der Rechtsprechung sowie die Umsetzung der Leistungsvereinbarungen, welche mit der Aufsichtsbehörde abgeschlossen werden (Art. 16 KESG).
Die Aufsicht und Steuerung über die elf kantonalen Behörden wird von der DIJ (Art. 18 KESG) bzw. vom Kantonalen Jugendamt (Art. 4 KESV) übernommen. Die burgerliche KESB regelt die Aufsicht und Steuerung eigenständig (Art. 18 KESG).
Die gerichtliche Beschwerdeinstanz im Kanton Bern ist das Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, welches beim Obergericht angesiedelt ist. Dieses nimmt alle Beschwerden betreffend die Verfügungen der KESB, dem ärztlichen Personal und anderen Einrichtungen entgegen und beurteilt diese (Art. 65 bis 66 KESG).
Zuständig für das Erwachsenenschutzverfahren ist grundsätzlich die Erwachsenenschutzbehörde am Wohnsitz der betroffenen Person. Bei hängigen Verfahren bleibt die Zuständigkeit bis zu dessen Abschluss auf jeden Fall erhalten. Ist Gefahr im Verzug, so kann auch die Behörde am Aufenthaltsort der betroffenen Person zuständig sein. Wechselt eine Person, für die eine Massnahme besteht, ihren Wohnsitz, so überträgt die bisherige Behörde die Massnahme unverzüglich an die neue Behörde (Art. 442 ZGB). Meistens dauert es einige Monate, bis die Übertragung tatsächlich stattgefunden hat. Situativ obliegt es in der Verantwortung der Beistandsperson aufgrund der Stabilität der Situation mit der Übertragung auch noch etwas länger zuzuwarten (s. Quellen: Übertragung Beistandschaften).
Die Zuständigkeit der KESB nach Gemeinden im Kanton Bern s. Links: Zuständigkeit KESB nach Gemeinden.
2. Verfahren (Art. 443ff ZGB)
Eine organisations- und professionsübergreifende Arbeitsgruppe im Kanton Bern hat ein Ampelsystem für die (Früh-)Erkennung von Selbstgefährdung und Selbstvernachlässigung erstellt. Eine entsprechende Checkliste von Merkmalen ist unter Checklisten: Merkmale Selbstgefährdung/Selbstvernachlässigung abgelegt. Auch ist dort eine Tabelle zum Vorgehen für die Früherkennung abgelegt (s. Checklisten: Schritte der Früherkennung einer Selbstgefährdung/Selbstvernachlässigung).
Die Arbeitsgruppe hatte zum Ziel, Professionellen und Laien die (Früh-)Erkennung von Selbstgefährdung und Selbstvernachlässigung zu erleichtern sowie sie bei den zu unternehmenden Schritten zu unterstützen (s. Merkblätter: Ampelsystem zur Früherkennung einer Selbstvernachlässigung/Selbstgefährdung von Senior*innen).
Eine Schwierigkeit bei der Unterstützung von Menschen, welche sich oder ihr Umfeld gravierend vernachlässigen ist, dass diese häufig nur ungern Unterstützungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen. Gründe dafür können Ängste vor Veränderungen oder vor einem Verlust von Freiheit und Selbstbestimmung sein. Es braucht deshalb oft mehrere Anläufe, zum einen Zugang zu ihnen zu finden.
Bei der Beurteilung einer möglichen Selbstgefährdung und -vernachlässigung ist zu beachten, dass das Recht auf Selbstbestimmung ein sehr hoch gewichtetes Recht ist und nur unter eng beschriebenen rechtlichen Voraussetzungen eingegriffen werden darf. Das bedeutet, dass eine Person, solange sie urteilsfähig ist und selbstbestimmt entscheiden kann sowie nicht akut selbst- und/oder fremdgefährdend ist, ein Recht auf eine (gewisse) Verwahrlosung hat (s. Merkblätter: Ampelsystem zur Früherkennung…).
Jede Person kann der KESB Meldung erstatten, wenn eine Person hilfsbedürftig, selbst- oder fremdgefährdend erscheint. Die Gefährdungsmeldung kann der zuständigen KESB schriftlich oder mündlich eingereicht werden. Wer in amtlicher Tätigkeit von einer solchen Person erfährt, ist meldepflichtig (Art. 443 ZGB).
Beratung Pro Senectute (Grundhaltung gemäss TL-Beschluss 13.01.2021)
Ob Mitarbeitende der Pro Senectute zu den meldepflichtigen Personenkreisen zählen (amtlich tätig, da subventioniert durch Bundesgelder) oder nicht, kann nicht abschliessend beantwortet werden. Wir bewegen uns in einem Graubereich und die Rechtslehre hat verschiedene Meinungen dazu (s. Quellen: Melderechte, Melde- und Mitwirkungspflichten, Amtshilfe und Melderechte und Meldepflichten an die KESB). Gegen den Willen und/oder ohne Einwilligung der betroffenen Person muss der/die Sozialarbeitende nach professionellen und ethischen Grundsätzen abschätzen und situativ entscheiden, ob aufgrund der vorhandenen Selbst- und/oder Fremdgefährdung eine Gefährdungsmeldung gemacht werden muss. Dies geschieht immer nach dem 4-Augenprinzip und falls möglich auch in Absprache mit anderen involvierten Personen oder Fachstellen (z.B. Spitex). In erster Linie versucht die Sozialberatung von Pro Senectute (PS) die Person zu einer Selbstmeldung zu motivieren und dabei behilflich zu sein oder berät das Umfeld oder involvierte Stellen beim Einreichen einer allfälligen Gefährdungsmeldung (s. Kap. 2.4 und 2.5).
Gegenüber der KESB sind gemäss Art. 448 ZGB am Erwachsenschutzverfahren beteiligte Personen und Dritte zur Mitwirkung bei der Abklärung des Sachverhaltes verpflichtet (Mitwirkungspflicht und Amtshilfe).
Beratung Pro Senectute (Grundhaltung gemäss TL-Beschluss 24.06.2020)
In diesem Fall fordert die KESB oder die abklärende Stelle (SD, EKS) die Pro Senectute Mitarbeitenden zur Auskunft auf. Diese sind – auch ohne Zustimmung der betroffenen Person – zur Auskunft legitimiert. Dabei zu beachten sind die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person und das Verhältnismässigkeitsprinzip (vor allem in Bezug auf den Umfang der Informationen). In erster Linie soll die betroffene Person ihre Zustimmung zur Weitergabe von Daten geben können oder zumindest vorgängig darüber informiert werden. Dies im Sinne der Transparenz und zum Erhalt bzw. zur Verbesserung der weiteren Zusammenarbeit sowie des Vertrauensverhältnisses mit der betroffenen Person.
Die KESB hat ein Formular für eine Selbstmeldung, Meldung der eigenen Hilfsbedürftigkeit auf Ihrer Homepage (s. Formulare: Formulare und Merkblätter der KESB).
Eine Selbstmeldung macht dann Sinn, wenn die betroffene Person selber am Verfahren mitwirken kann. Kann sie die Meldung selber unterzeichnen und ist mit dem Antrag einverstanden, trägt dies stark zur Beschleunigung des Verfahrens und zur Akzeptanz einer späteren Erwachsenenschutzmassnahme bei.
Beratung Pro Senectute (Grundhaltung gemäss TL-Beschluss 24.06.2020)
Aufgabe der Sozialberatung von PS ist es, die betroffenen Personen und ggf. ihr Umfeld über die Aufgaben, die Möglichkeiten und das Verfahren der KESB zu informieren. Sowie bei Bedarf zu motivieren und bei der Selbstmeldung behilflich zu sein. Je nach Situation und Kenntnisstand macht es Sinn, dass der/die Sozialarbeitende von PS neben dem offiziellen Formular und in Absprache mit der betroffenen Person ergänzend einen Situationsbericht (z.B. mit den Themen Gesundheit, Wohnen, Finanzen etc.) beilegt. Eine entsprechende Vorlage Situationsbericht ist im GERAS vorhanden bei den kantonalen Briefvorlagen.
Die KESB hat ein Formular für eine Gefährdungsmeldung, Meldung über die Hilfsbedürftigkeit einer erwachsen Person auf Ihrer Homepage (s. Formulare: Formulare und Merkblätter KESB).
Eine Gefährdungsmeldung durch Drittpersonen/Institutionen kann/muss dann gemacht werden, wenn die betroffene Person selber nicht in der Lage ist, die Meldung selbst zu machen oder mit der Meldung nicht einverstanden ist, jedoch die Drittperson oder Institution eine Selbst- und/oder Fremdgefährdung der betroffenen Person wahrnimmt.
Beratung Pro Senectute (Grundhaltung gemäss TL-Beschluss 24.06.2020)
Aufgabe der Sozialberatung von PS ist es, die betroffenen Personen und ggf. ihr Umfeld über die Aufgaben, die Möglichkeiten und das Verfahren der KESB zu informieren, sowie bei Bedarf zu motivieren und bei der Meldung behilflich zu sein.
Wie im Kap. 2.1 beschrieben, muss vor einer allfälligen Gefährdungsmeldung durch PS gegen den Willen der betroffenen Person eine sorgfältige Situationseinschätzung durch die/den zuständige/n Sozialarbeitende/n und eine Absprache mit einem Teammitglied (4-Augenprinzip) und ggf. anderen involvierten Stellen erfolgen. Die von der Meldung betroffenen Personen sollten, wenn möglich, im Voraus darüber informiert werden. In der Regel sind schon entsprechende Schritte in diese Richtung unternommen und das Thema vorgängig besprochen worden. Diese Meldung kann mit dem offiziellen Formular der KESB oder in einer anderen schriftlichen Form (z.B. kantonale Briefvorlage Situationsbericht im GERAS) an die KESB erfolgen.
Wichtig:
Es ist nicht die Aufgabe der Sozialberatung PS Kanton Bern Abklärungen für Erwachsenenschutzmassnahmen (ggf. sogar im Auftrag der KESB) durchzuführen (s. Vollzugshilfe zum Ziel- und Indikatorenkatalog Sozialberatung im Stichwort: Grundlagen der Sozialberatung).
Ein Situationsbericht durch PS ergänzend zur Selbstmeldung oder Gefährdungsmeldung macht entsprechend nur in den Fällen Sinn, bei denen bereits viele Informationen über das Klientensystem vorhanden sind.
Inhalt der Meldung/des Antrages:
Die Meldung, der Antrag oder das Gesuch sollte eine gute Begründung beinhalten und auf die Hilfs- und/oder Schutzbedürftigkeit sowie die Selbst- und/oder Fremdgefährdung einer Person hinweisen. Involvierte Personen/Stellen sowie bereits umgesetzte Hilfestellungen sollten beschrieben werden. Je ausführlicher die Meldung ist, desto besser kann die KESB reagieren und die nötigen Schritte oder passenden Massnahmen einleiten.
Je nach Komplexität der Situation macht es Sinn oder ist es empfehlenswert, die Situation vorgängig (anonym) mit der KESB telefonisch zu besprechen oder sich durch die KESB über das beste Vorgehen beraten zu lassen.
Das Verfahren bei der KESB kommt also durch Handeln von Amtes wegen (Art. 368 Abs 1, 390 Abs. 3 ZGB), durch eine nicht offensichtlich unbegründete Meldung (Art. 443 ZGB), durch eine Aufrufung einer dazu berechtigten Person (Art. 373 ZGB), einen Antrag (368 ZGB) oder durch ein Gesuch (364 ZGB) in Gang. Als erstes prüft die KESB die Zuständigkeit (Art. 444 ZGB) und trifft allfällige vorsorgliche, dringliche Massnahmen (Art. 445 ZGB) (s. Kap: 2.6 - Phase 1 in der Abbildung). Je nach Geschäft handelt die KESB selber oder delegiert Aufgaben an Dritte. Das sind i.d.R die kommunalen Dienste wie SD oder EKS. In der Verordnung über die Zusammenarbeit der kommunalen Dienste mit den KESB (ZAV) sind die Art. 2 bis 6 der genaueren Bestimmung der Zusammenarbeit zwischen der KESB und den kommunalen Diensten gewidmet.
In Art. 3 ZAV ist eine Auflistung möglicher Aufgaben zu finden, welche von der KESB an die SD übertragen werden können:
- Sachverhaltsabklärungen im Kindesschutz, im Bereich der gesetzlichen Massnahmen für urteilsunfähige Personen und betreffend behördlicher Massnahmen für Erwachsene
- Beistandschaftsführung und Übernahme von Vormundschaften im Kindesschutz, Beistandschaftsführung für Erwachsene
- Durchführung von Abklärungen (persönlicher Verkehr, Informations- und Auskunftsrechte der Eltern, Vaterschafts- und Unterhaltsregelungen, Regelung der gemeinsamen elterlichen Sorge)
- Abklärungen betreffend Gültigkeit eines Vorsorgeauftrags (s. Stichwort: Vorsorgeauftrag)
- Übernahme von Aufgaben gemäss Art. 392 ZGB (Verzicht auf eine Beistandschaft)
- Tätigen von Abklärungen zum Schutz von Personen in Wohn- oder Pflegeeinrichtungen, welche keine Kontakte ausserhalb der Einrichtung pflegen
- Vollzug von ambulanten Massnahmen für die nach einer FU nötige Nachbetreuung in Anlehnung an Art. 33 KESG
- Erfüllen von allen Aufgaben nach Art. 307 Abs. 3 ZGB (Aufsicht über Eltern oder Pflegeeltern, welche von der Behörde betreffend Pflege, Erziehung oder Ausbildung ihrer Kinder eine Weisung erhalten haben)
- Abklärungen betreffend Pflegekinderaufnahmen und die Ausübung der Pflegekinderausicht
Neben den erwähnten Aufgaben sind die kommunalen Dienste per 1. Januar 2013 für die Rekrutierung und Begleitung der Privatbeiständinnen und -beiständen zuständig. Darunter werden vor allem die Eignungsabklärung einer/eines möglichen Beiständin/Beistandes und die Zuständigkeit für die Ausbildung, Beratung und Begleitung der privaten mandatstragenden Personen verstanden (Art. 4 Abs. 2 ZAV und Art. 6 Abs.1 ZAV). Zudem kann ein/e private/r Beiständin/Beistand im Bedarfsfall dem kommunalen Dienst gewisse Aufgaben übergeben. Dies betrifft vor allem die Rechenführung (Art. 6 Abs. 2 ZAV).
Im Kanton Bern stellt die KESB dem zuständigen kommunalen Dienst (SD, EKS) einen Abklärungsauftrag zu. Darin stellt die KESB entsprechende Fragen, welche die abklärende Stelle in einem Abklärungsbericht zu Handen der KESB innerhalb einer bestimmten Frist (i.d.R. 3 Monate) beantworten soll. Der kommunale Dienst nimmt mit der betroffenen Person und ihrem Umfeld, involvierten Fachstellen, Kontakt auf und klärt den Sachverhalt ab (s. Phase 2 in der Abbildung unten). Nach Abschluss der Abklärungen stellt der kommunale Dienst mit seinem Abklärungsbericht bei der KESB einen Antrag, um Errichtung einer Massnahme oder auf Abschluss des Verfahrens ohne Massnahme des Erwachsenenschutzes. Falls der kommunale Dienst eine Beistandschaft beantragt, klärt er auch gleich, ob ein professionelles Mandat (ProMa) oder ein privates Mandat (PriMa) in Frage kommt und schlägt eine entsprechende Person vor.
Die KESB beurteilt die Situation anhand des Abklärungsberichtes (s. Phase 3 in der Abbildung unten), klärt nötigenfalls eigenständig noch weitere Sachverhalte ab, fordert allfällige Artzeugnisse ein oder ordnet ein nötiges Gutachten einer sachverständigen Person (z.B. Psychiater) an (Art. 446 ZGB). Die KESB gewährt der betroffenen Person das rechtliche Gehör gemäss Art. 447 ZGB, falls dies nicht unverhältnismässig erscheint. Anschliessend trifft sie in Form einer schriftlichen Verfügung (auch Beschluss genannt) eine Entscheidung über Erwachsenenschutzmassnahmen oder den Abschluss des Verfahrens ohne Massnahmen (s. Phase 4 in der Abbildung). Gegen jede Verfügung der KESB kann bei der zuständigen Beschwerdeinstanz (im Kanton Bern: Obergericht, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht) ein Rechtsmittel ergriffen werden. Dazu muss innerhalb der in der Verfügung genannten Rechtsmittelfrist (i.d.R. 30 Tage) eine schriftliche Beschwerde bei der zuständigen Beschwerdeinstanz eingereicht werden (Rechtsmittelverfahren). Auch wenn die KESB nicht handelt, ein Entscheid jedoch nötig wäre, kann mit einer schriftlichen Beschwerde beim genannten Gericht, ein Entscheid verlangt werden (Beschwerde wegen Rechtsverweigerung).
Eine sogenannte Aufsichtsbeschwerde bei der Aufsichtsbehörde der KESB (im Kanton Bern ist dies die DIJ oder das kantonale Jugendamt) kann dann gemacht werden, wenn nicht ein bestimmter oder kein Entscheid der KESB gerügt werden soll, sondern wenn das Vorgehen der KESB oder das Verhalten eines KESB-Mitglieds zur Beschwerde veranlasst. Die Aufsichtsbehörde ist verpflichtet, der schriftlichen Beschwerde nachzugehen. Die/der Beschwerdesteller/in erlangt jedoch keinen Anspruch auf einen Entscheid und eine Begründung.
Für die Zuständigkeiten der Gerichte und Aufsichtsbehörden der KESB s. Links: Kantonale Behördenorganisation KESB.
Verfahrenskosten (Gebühren) der KESB können, im Gegensatz zu den Entschädigung für Mandate (s. Stichwort: Erwachsenenschutz), nicht gestundet werden. Liegt das Vermögen nach Abzug der Verfahrenskosten unterhalb von Fr. 4'000.- oder ist der/die Klient/in sozialhilfebedürftig, werden diese erlassen. Liegt der Vermögensbetrag über Fr. 4'000.- sind die Verfahrenskosten zu bezahlen. Sozialdienst übernehmen keine Verfahrenskosten zu Gunsten von bedürftigen Klientinnen/Klienten, welche nicht durch die KESB erlassen werden (s. Quellen: Entschädigungen und Verfahrenskosten bei Erwachsenenschutzmandaten).
Die KESB ist zudem zuständig für folgende weitere Aufgaben (nur Erwachsenenschutz, nicht abschliessend, nur eine für PS relevante Auswahl):
- Überprüfung und Genehmigung Eingangsinventare bei Beistandschaften
- Revision und Genehmigung Berichte und Buchhaltungen, Festlegen der Entschädigung während laufenden Beistandschaften (i.d.R. alle 2 Jahre)
- Zustimmung zu Geschäften gemäss Art. 416/417 ZGB bei Beistandschaften/gesetzlichen Vertretungsrechten
- Validierung von Vorsorgeaufträgen (s. Stichwort: Vorsorgeauftrag)
- Allgemeines Einschreiten zum Wohl und bei Unstimmigkeiten betreffend Angelegenheiten von urteilsunfähigen Personen (Beistandschaften, gesetzliche Vertretungsrechte, Vorsorgedokumente)
Die Anlaufstelle Kindes- und Erwachsenenschutz (KESCHA) ist ein Informations- und Beratungsangebot für Personen, die von einer Massnahme des Kindes- oder des Erwachsenenschutzes betroffen sind. Unter anderem berät die Anlaufstelle Personen, die etwa Fragen zur Beistandschaft oder zu Verfahren der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) oder des Gerichts haben.
Die Webseite von KESCHA (s. Liks) bietet betroffenen Personen Informationen zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, einfache Tipps und Angaben zum Angebot der KESCHA.
Für Fragen und mehr Informationen steht Ihnen die Telefonberatung der KESCHA zur Verfügung.
Quellen und Links
- Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB)
- Bundesgesetz über Voraussetzungen und Verfahren bei Sterilisationen (Sterilisationsgesetz)
- Verordnung über die Vermögensverwaltung im Rahmen einer Beistandschaft oder Vormundschaft (VBVV)
- Gesetz über den Kindes- und Erwachsenenschutz (KESG), Kanton Bern
- Verordnung über den Kindes- und Erwachsenenschutz (KESV), Kanton Bern
- Verordnung über die Zusammenarbeit der kommunalen Dienste mit den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden und die Abgeltung der den Gemeinden anfallenden Aufwendungen (ZAV), Kanton Bern
Erwachsenenschutz, Walter Noser und Daniel Rosch, Beobachter, 2. Auflage 2014 (Buch)
Praxisanleitung Erwachsenenschutzrecht (mit Mustern), KOKES, 2012 (Buch)
Änderungen im Stichwort
Datum | Inhalt | Visum |
06.12.2021 |
|
sni |
15.08.2022 |
|
sni |
24.04.2023 |
|
sni |