Überbrückungsleistungen (ÜL)

 

13.06.2022 / sni

Zusammenfassung

In diesem Stichwort werden die Anspruchsvoraussetzungen, die Vorgaben zur Bedarfsberechnung sowie das Vorgehen bei der Beantragung von Überbrückungsleistungen grob zusammengefasst. Details sind in der Wegleitung über die Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose (WÜL) ausgeführt. Im Kap. 4 wird die Zuständigkeit der Sozialberatung der Pro Senectute Kanton Bern sowie die Nahtstellen zu den regionalen Arbeitsvermittlungsorganisationen (RAV) und der Ausgleichskasse des Kantons Bern (AKB) beschrieben.

1. Anspruchsvoraussetzungen

Für einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Alter min. 60 Jahre
  • Aussteuerung bei der ALV im Monat vom 60. Geburtstag oder danach
  • Wohnsitz und tatsächlicher Aufenthalt in der Schweiz oder in einem Mitgliedstaat der EU oder EFTA (s. Merkblätter: Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose)
  • Beitragszeit in die AHV min. 20 Jahre insgesamt und min. 5 Jahre nach dem 50. Lebensjahr mit einer gewissen Einkommenshöhe (s. Merkblätter: Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose)
  • Vermögensschwelle s. Kap. 2.5
  • Anerkannte Ausgaben übersteigen die anrechenbaren Einnahmen (s. Kap. 2.3 und 2.4)

Der Anspruch auf ÜL beginnt grundsätzlich ab dem Monat, in dem die Anmeldung eingereicht worden ist (Vorgehen und Zuständigkeit s. Kap. 3). Die ÜL wird bis zur ordentlichen Pensionierung ausbezahlt. Wenn absehbar ist, dass bei Erreichen des Referenzalters ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL) besteht, wird die Überbrückungsleistung nur bis zum AHV-Vorbezug gewährt (Art. 3 Abs. 1 Lit. b ÜLG und Art. 1 ÜLV).

Hat eine Person sowohl Anspruch auf ÜL als auch auf EL oder hat eine Person Anspruch auf ÜL und deren Ehegatte/Ehegattin auf EL, geht der Anspruch auf EL vor (Art. 6 ÜLG).

Für unrechtmässig bezogene ÜL gilt eine Rückerstattungspflicht. Weitere Informationen s. Kap. 4.5 WÜL.

2. Bedarfsberechnung

Die Überbrückungsleistung ist eine Bedarfsleistung mit dem Ziel, ältere Ausgesteuerte finanziell und sozial abzusichern. Sie orientiert sich bei der Bemessung an den EL. Die ÜL bestehen aus jährlichen Leistungen, die monatlich ausbezahlt werden, sowie der Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten.

Die ÜL werden im Grossen und Ganzen analog den Ergänzungsleistungen berechnet. In diesem Kapitel werden einerseits Abweichungen davon sowie im ÜLG und ÜLV speziell erwähnte Punkte aufgeführt.

Bei getrenntlebenden Ehegatten gelten dieselben Voraussetzungen für eine getrennte Berechnung der ÜL (Art. 6 ÜLV) wie bei den Ergänzungsleistungen (WEL 3141.01).

Die jährliche ÜL entspricht der Differenz zwischen den anerkannten Ausgaben und den Einnahmen, die angerechnet werden können (inkl. Vermögensverzehr). Die Höhe der jährlichen ÜL ist begrenzt. Die ÜL betragen maximal das 2.25-fache des allgemeinen Lebensbedarfs für Alleinstehende resp. für Ehepaare (Art. 7 Abs. 2 Lit a und b ÜLG). Das sind Fr. 45'225.- für Alleinstehende und Fr. 67'838.- für Ehepaare (Stand 2023).

Krankheitskosten- und Behinderungskosten werden jährlich bis zu Fr. 5'000.- bei Alleinstehenden und Fr. 10'000.- bei Ehepaaren ausgerichtet, sofern der maximale Betrag für ÜL nicht erreicht wird (s. Merkblätter: Überbrückungsleitungen für ältere Arbeitslose). Es werden folgende Kosten bis max. 15 Monate nach der Rechnungsstellung vergütet (Art. 17 Abs. 1 und Art. 18 ÜLG)

  • Beteiligung an die Kosten der Krankenkasse (Selbstbehalt und Franchise) bis max. Fr. 1'000.-
  • Zahnärztliche Behandlungen (wirtschaftlich und zweckmässig)
  • Mehrkosten für lebensnotwendige Diät
  • Transportkosten zur nächstgelegenen Behandlungsstelle
  • Hilfsmittel

Weitere Details s. Kap. 5 WÜL.

Zu den anerkannten Ausgaben gehören der allgemeine Lebensbedarf, Wohnkosten, obligatorische Krankenkassenversicherung nach KVG, Kosten für Unterhalt von Gebäuden und Hypothekarzinse, Beiträge an die AHV/IV/EO, ggf. Berufsauslagen, familienrechtliche Unterhaltsbeiträge und Beiträge an die freiwillige Weiterversicherung in der beruflichen Vorsorge.

Die Höhe der anerkannten Ausgaben entsprechen den Maximalbeträgen bei den Ergänzungsleistungen (s. Merkblätter: Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose).

Als Einkommen werden folgende Einnahmen angerechnet:

  • Erwerbseinkommen
  • sämtliche laufenden Renten, Pensionen und wiederkehrende Leistungen
  • Einzelne Rentenzahlungen von Leibrenten mit Rückgewähr zu 80% sowie allfällige Überschussanteile vollumfänglich (Art. 23 Abs. 3 ÜLV und Rz 3353.02 WÜL)
  • Ersatzeinkünfte wie Taggelder und private Versicherungen
  • Einkünfte aus beweglichem und unbeweglichem Vermögen wie Zinse, Miete, Untermiete, Pacht oder Nutzniessung
  • Mietwert der Wohnung und Mietzinseinnahmen
  • Leistungen aus Verpfründungsverträgen und ähnlichen Vereinbarungen
  • Einkünfte und Vermögenswerte, auf die verzichtet worden ist, wie Nutzniessungs- und Wohnrecht (s. Art. 20 ÜLV)
  • Hypothetische Erwerbseinkünfte von Ehegatten, die freiwillig auf die Ausübung einer zumutbaren Erwerbsarbeit verzichten (Art. 13 Abs. 1 ÜLG)
  • Familienzulagen und familienrechtliche Unterhaltsbeiträge
  • Vermögensverzehr nach Abzug des entsprechenden Vermögensfreibetrags

Bei der Anrechnung der Einnahmen (inkl. allfälliger Erwerbseinkommen) gelten dieselben Vorgaben wie bei den Ergänzungsleistungen (Art. 10 Abs. 1 Lit. a ÜLG). Einziger Unterschied ist, dass der Vermögensverzehr nur 1/15 des Anteils Vermögen beträgt, welcher die Freibeträge (für Vermögen und für selbstbewohnte Liegenschaft) überschreitet (Art. 10 Abs. 1 Lit. c ÜLG und s. Kap. 2.5).

Nicht als Einkommen angerechnet werden Verwandtenunterstützungen, Unterstützungen der öffentlichen Sozialhilfe, Hilflosenentschädigungen, Stipendien und Ausbildungshilfen (Art. 10 Abs. 2 ÜLG).

Personen, welche ÜL beziehen, müssen sich weiterhin um die Integration in den Arbeitsmarkt bemühen. Es werden folgende Integrationsbemühungen und Engagements anerkannt (s. Merkblätter: Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose):

  • Freiwillige Arbeitsvermittlung durch das RAV
  • Bewerbungsschreiben
  • Teilnahme an Integrationsmassnahmen
  • Freiwilligenarbeit
  • Teilnahme an Sprachkursen
  • Coaching
  • Pflege und Betreuung von Angehörigen und Bekannten

Als Grundlage für die Berechnung wird das Reinvermögen berücksichtigt. Dieses setzt sich aus dem Bruttovermögen abzüglich nachgewiesener Schulden zusammen (Rz 3343.06 WÜL).

2.5.1 Vermögensschwelle

Die Vermögensschwelle resp. Eintrittsschwelle bei der ÜL beträgt bei alleinstehenden Personen Fr. 50'000.-, bei Ehepaaren Fr. 100'000.- (Rz 2440.01 WÜL) und entspricht der Hälfte der Eintrittsschwelle nach Ergänzungsleistungsgesetz (Art. 9a Abs. 1 ELG).

2.5.2 Anrechenbares Vermögen

Als Vermögen gelten sämtliche Vermögenswerte inkl. Vermögensverzicht (s. Kap. 2.5.5). Das anrechenbare Vermögen ist nach den Grundsätzen der Gesetzgebung über die direkte kantonale Steuer im Wohnsitzkanton zu bewerten (Art. 22 Abs. 1 ÜLV) resp. analog zu den Ergänzungsleistungen. Einige wichtige Vermögenswerte werden im Folgenden kurz erwähnt.

Bei selbstbewohnten Liegenschaften werden der Freibetrag von Fr. 112'500.- (Art. 10 Abs. 1 Lit. c zweiter Teilsatz ÜLG) und die Hypothekarschulden bis zum Betrag des Liegenschaftswert gewährt. Der Restbetrag wird als Vermögen angerechnet.

Bei nicht selbstbewohnten Liegenschaften ist im Kanton Bern der Repartitionswert (Art. 22 Abs. 2 und 3 ÜLV) abzüglich Hypothekarschulden bis höchstens zum Wert der Liegenschaft (Art. 21 Abs. 2 ÜLV) in der Berechnung der Überbrückungsleistungen einzusetzen.

Bei Leibrenten mit Rückgewähr ist, gleich wie bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen, der Rückkaufswert als Vermögen anzurechnen (Art. 23 Abs. 1 ÜLV). Einkommen aus Leibrenten s. Kap. 2.4.

Vorsorgeguthaben aus der beruflichen Vorsorge wird erst als Vermögen angerechnet, nachdem es zur Auszahlung gekommen ist, ausser es übersteigt den Betrag von Fr. 509'860.- (Rz 2440.05 WÜL).

2.5.3 Nicht anrechenbares Vermögen

  • Der Solidaritätsbeitrag für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen (Art. 10 Abs. 1 Lit c ÜLG)
  • Noch nicht bezogenes Vorsorgeguthaben aus der beruflichen Vorsorge (Art. 21 Abs. 4 ÜLV und Rz 3343.03 WÜL), Ausnahme s. Kap. 2.5.2
  • Vermögensverzehr
  • Vermögensverbrauch aufgrund anerkannter Rechtfertigungsgründe (s. Kap. 2.5.6)
  • Unfreiwillige Vermögensverluste, die nicht auf absichtliches oder grobfahrlässiges Verhalten zurückzuführen sind (Art. 26 Abs. 3 Lit. c ÜLV)
  • Genugtuungssummen (Art. 26 Abs. 3 Lit. d ÜLV)

Weitere Details s. Rz 3343.08 WÜL.

2.5.4 Vermögensfreibeträge

Es gelten dieselben Vermögensfreibeträge wie bei den Ergänzungsleistungen, sprich Fr. 30'000.- bei alleinstehenden Personen und Fr. 50'000.- bei Ehepaaren (Art. 10 Abs. 1 Lit. c ÜLG und Rz 3342.01 WÜL). Freibetrag für selbstbewohnte Liegenschaft s. Kap. 2.5.2.

2.5.5 Verzicht auf Vermögenswerte

Ein Vermögensverzicht liegt vor, wenn Vermögenswerte zu einer Gegenleistung von weniger als 90% des Werts der Leistung veräussert wurden oder bei übermässigem Vermögensverbrauch (Art. 24 ÜLV). Bei Veräusserung einer Liegenschaft zu einem Wert unter dem Repartitionswert, gelangt dieser nicht zur Anwendung, wenn von Gesetzes wegen ein Rechtsanspruch auf den Erwerb zu diesem tieferen Wert besteht (Art. 25 Abs. 2 ÜLV und Rz 3344.08 WÜL).

Die Verminderung des Vermögensverzichts erfolgt analog Ergänzungsleistungsrecht (vgl. Ar.t 27 ÜLV).

2.5.6 Anerkannte Rechtfertigungsgründe bei übermässigem Vermögensverbrauch

Es werden folgende Gründe zur übermässigen Verminderung des Vermögens anerkannt (Art. 26 Abs. 3 Lit. b ÜLV):

  • Ausgaben zum Werterhalt von Liegenschaften im Eigentum oder in der Nutzniessung
  • Kosten für zahnärztliche Behandlungen
  • Krankheits- und behinderungsbedingte Kosten, welche nicht von einer Sozialversicherung finanziert werden
  • Gewinnungskosten bei Erwerbsarbeit
  • Auslagen für Aus- und Weiterbildungen oder soziale und berufliche Integration

3. Vorgehen Antrag

Auf der Internetseite der Ausgleichskasse des Kantons Bern (AKB) kann via Onlineformular geprüft werden, ob ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen besteht oder bestehen könnte (s. Checklisten: Checkliste Prüfung Anspruch auf Überbrückungsleistungen).

Der ausgefüllte Antrag (s. Formulare: Antrag für Überbrückungsleistungen) wird, anders als bei den Anträgen auf EL oder HE, direkt bei der AKB eingereicht.

Vor der Prüfung des Antrags ermittelt die AKB die Dauer und Höhe der AHV-Beiträge der antragstellenden Person aus deren individuellen Konto (IK), um die Dauer und Höhe der AHV-Beiträge zu ermitteln. Bei Frauen ab 62 Jahren und Männern ab 63 Jahren, oder die es in den nächsten Monaten werden, wird eine Rentenvorausberechnung verlangt, um einen allfälligen Anspruch auf Ergänzungsleistungen prüfen zu können (s. 1. Seite des Antragsformulars).

4. Zuständigkeit Sozialberatung Pro Senectute Kanton Bern

Die Pro Senectute ist zuständig für Pensionierte sowie für das Thema (Früh-)Pensionierung bis max. 12 Monate vor der Pensionierung. Die Überbrückungsleistungen werden ab 60 Jahre bis zur Pensionierung gewährt. Somit ist die Pro Senectute nicht zuständig für Personen, die Überbrückungsleistungen beziehen. Auch ist die Pro Senectute grundsätzlich nicht zuständig für die Berechnung eines möglichen Anspruchs oder die Unterstützung bei der Beantragung der Überbrückungsleistungen. Das Thema Überbrückungsleistungen kann jedoch im Rahmen der (Früh-)Pensionierung Teil einer Beratung sein oder werden.

Da sich die Überbrückungsleistungen an ausgesteuerte Arbeitslose richten, ist das RAV für die Information der betroffenen Personen zuständig. Die Ausgesteuerten werden mit einem Schreiben auf die Möglichkeit der Überbrückungsleistungen aufmerksam gemacht und dafür an die AKB verwiesen (s. Merkblätter: Überbrückungsleistungen).

Die AKB hat in Bezug auf die Überbrückungsleistungen geschultes Fachpersonal, das für Fragen zur Verfügung steht. Fragen können schriftlich (info@akb.ch) und telefonisch gestellt werden. Beratungen vor Ort und Hilfe beim Ausfüllen des Antrags werden zurzeit nicht angeboten, da bisher kein Bedarf dafür bestanden hat (Tel. Auskunft der AKB vom 4.5.2022 an Sarah Niederberger, SAR PSBE).

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